Dragon*Con Independent Film Festival 2012
Bericht von Judith Westermann (TWISTED)
Das Dragon*Con Festival in Atlanta, Georgia ist das größte Festival der Vereinigten Staaten für Multimedia und Popkultur im Bereich Fantasy, Science Fiction und Horror, das jedes Jahr im September stattfindet. Neben dem Filmfestival, das sowohl fiktionale Kurz– als auch Langfilme zeigt, zählen die Bereiche Literatur, Gaming, Musik und Comic-Art zu den Kernpfeilern des 4-tägigen Festivals, das dieses Jahr einen neuen Rekord von 60.000 Besuchern erreichte.
Wir wurden für die Kategorie „Best Dark Comedy“ mit dem Kurzfilm „Twisted“ eingeladen, der vom Münchner Regisseur Norbert Keil inszeniert und von mir, Judith Westermann, Studentin an der Hochschule für Fernsehen und Film München, produziert wurde. Die Anmeldung akkreditierter Filmemacher geht schnell und unkompliziert, während zusätzlich Akkreditierte (z.B. Teammitglieder außer dem Regisseur) sich mit allen anderen Festivalteilnehmern unter Umständen in kilometerlange Schlangen einreihen und viel Geduld mitbringen müssen – je nachdem, wie früh man dran ist. Empfehlenswert sind Unterkünfte vor Ort, also Downtown Atlanta in direkter Nähe des Festivals, da das öffentliche Verkehrsnetz nicht gut ausgebaut ist. Die teilnehmenden Hotels, auf die die Messehallen und Veranstaltungsräume des Festivals verteilt sind, bieten im Vornherein günstige Angebote an. Früh zu buchen empfiehlt sich, da das Festival jährlich tausende Besucher bzw. langjährige Fans als Dauergäste zählt.
Der Programmdirektor des Dragon*Con Independent Film Festivals, Matthew M. Foster, lädt alle anwesenden Filmemacher traditionell zu einem Meet & Greet Dinner am Vorabend des ersten Festivaltages ein – eine ideale Möglichkeit, die Festivalteilnehmer und –organisatoren in Ruhe kennenzulernen und sich auszutauschen, bevor der Wahnsinn beginnt. Als Wahnsinn im positiven Sinne kann Downtown Atlanta durchaus beschrieben werden, denn von einem Tag auf den anderen wird die Innenstadt, in der sich Menschen sonst nur im Auto fortbewegen, von Besuchermassen überschwemmt, die zu Fuß von einem Festivalpunkt zum nächsten drängen. Und damit nicht genug – über die Hälfte von ihnen ist für die gesamte Zeit des Festivals kostümiert.
Dementsprechend standen wir nicht nur morgens beim Starbucks neben Batman, sondern saßen auch abends zwischen filmbegeisterten Hobbits, Klingonen und Superwoman im Kino. Dies lässt eine sehr besondere Atmosphäre entstehen, die vom gesamten Festival auf das Filmfestival als integraler Bestandteil abstrahlt.
Der Zugang zu den einzelnen Filmblöcken des Wettbewerbprogramms ist für teilnehmende Filmemacher unkompliziert – ohne Warten und Karten haben sie Zugang zu den einzelnen Blöcken und werden vom Programmdirektor Foster, der das Programm persönlich moderiert, vorgestellt. Die Filmblöcke werden aufgrund der begrenzten Zeit und der Tatsache, dass nur in einem Kino vorgeführt wird, nicht wiederholt. Der Wettbewerb umfasst verschiedene Kategorien – von Dark Comedy über Splatter Horror hin zu Animated Fantasy. Es gibt vergleichsweise wenig internationale Filmemacher, die dieses Jahr aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland kamen.
Zusätzlich zum Wettbewerbsprogramm wurden verschiedene Panels angeboten, in denen Filmemacher zu unterschiedlichen Themen Vorträge hielten und offene Diskussionsrunden anboten. Auch der Regisseur unseres Films, Norbert Keil, wurde aufgrund unseres Filmbeitrags „Twisted“ zu einem Panel eingeladen, um mit drei anderen US-amerikanischen Regisseuren zum Thema „Making the Sick, Twisted, Disturbed Films We All Love“ zu diskutieren. Darüber hinaus gab es Vorträge von Vertretern aus der US–Branche zu Themen wie etwa zum veränderten Verleihgeschäft in Nordamerika – für mich als Produktionsstudentin ein sehr spannendes Thema, um neue Einblicke in die Infrastruktur und Herangehensweise von Verleihern in den USA zu bekommen und mit der deutschen bzw. europäischen Situation zu vergleichen.
Es wurden darüber hinaus exklusiv für die Filmemacher verschiedene Treffen während des Festivals organisiert, bei denen man sich näher über Projekte usw. miteinander austauschen und neue Netzwerke knüpfen konnte. Auch wieder vom Programmdirektor Matthew Foster moderiert, gab es hierfür verschiedene Vorstellungs– und Diskussionsrunden. Das gab uns wiederum eine gute Gelegenheit, die German Film/Kurzfilm AG vorzustellen und internationales Fachpublikum und Festivalteilnehmer auf sie aufmerksam zu machen.
Parallel zu den Veranstaltungen des Filmfestivals gab es auch entsprechende Panels und Workshops in den anderen Multimediabereichen des Festivals – für Filmemacher eine überaus interessante Möglichkeit, sich mit aktuellen crossmedialen Konzepten, wie etwa innerhalb der Comic–, Gaming– oder auch Fantasyliteraturbranche in Verbindung mit Film und Internet, näher zu befassen.
Das Festival wird ausschließlich durch freiwillige Helfer unterstützt. Dies gilt auch für den Bereich des Filmfestivals. Insgesamt fühlt man sich gut betreut von den Festivalbetreibern, auch wenn ein für die Filmemacher designierter Bereich, wie z.B. eine Lounge o.ä. auf dem weitläufigen Festivalgelände zum weiterführenden Austausch fehlt. Dies wurde in einer abschließenden Feedbackrunde dieses Jahr angesprochen und soll zum nächsten Jahr verbessert werden. Am letzten Tag des Festivals fand die Preisverleihung statt, weitgehend unter Ausschluss der übrigen Festivalbesucher im Kreis der Filmemacher. Zu unserer großen Freude gewannen wir mit unserem Festivalbeitrag „Twisted“ den Preis für „Best Dark Comedy“.
Das Dragon*Con Independent Film Festival ist ein Publikumsfestival, das durch sein besonderes, sehr speziell ausgerichtetes Umfeld besticht. Es bietet Filmemachern die Möglichkeit, mit Kollegen aus der Branche in Kontakt zu treten, wenngleich die Vertreter aus der Branche vornehmlich aus den Vereinigten Staaten kommen und sich dementsprechend tendenziell eher auf us–amerikanische Filmemacher konzentrieren. Umso mehr haben sich die europäischen Filmemacher miteinander vernetzt.
Auf diesem sehr außergewöhnlichen Filmfestival kommen Genrefilmliebhaber auf ihre Kosten. Publikum bleibt auf diesem Festival aufgrund des großen Andrangs in keinem der Filmblöcke aus. Durch das breite Spektrum an Fachausrichtungen und durch die Tatsache, dass es das größte, speziell ausgerichtete Festival für Multimedia und Popkultur der USA ist, erzeugt das Festival ein großes Medienecho. Gleichzeitig bietet es Vertretern der Branche nicht nur die Möglichkeit, einander kennenzulernen, sondern auch, über den eigenen künstlerischen Tellerrand hinauszuschauen auf andere Multimedia–Bereiche, die in Zeiten einer stetig wachsenden Relevanz für crossmediale Projekte auch für Filmemacher von großem Mehrwert sind.
http://filmfest.dragoncon.org