Uhvati 2016
Fokussiert auf das Thema „Behinderung“, fand das Filmfest UHVATI- SA MNOM OVAJ DAN zum 14. Mal vom 19.-25.9. im serbischen Novi Sad statt. Unterstützt etwa vom serbischen Kulturministerium, dem Arbeitsministerium oder Sponsoren wie der „Erste Banka“, wurden Filmemacher mit ihren Werken aus der ganzen Welt eingeladen, ihre Filme zu präsentieren und somit am Wettbewerb teilzunehmen – unter der Prämisse des thematischen Schwerpunktes „Behinderung“.
Wie unterschiedlich die Annäherung an dieses Themas war, zeigte sich nach einer Vorauswahl der Kommission; vom Zeichentrickfilm aus Spanien, welches sich der Inklusion in Schulen widmete bis hin etwa zu „KOLLEGEN“ von Damian Weber (dem einzigen Film aus Deutschland), der in einer expliziten Darstellungweise einen One- Night- Stand zweier Menschen mit Behinderung erzählt.
Als Kamera-Übung 2015 an der KHM Köln entstanden, war es die Aufgabe der Regiestudenten, einen Plot zum Thema „Sexualität“ zu erzählen. Damian Webers 10- minütiger Kurzfilm „KOLLEGEN“, erzählt quasi nonverbal auch einen emotionalen Prozess seiner Figuren Anna und Jörn: der nüchterne Geschäftsmann Jörn, mit einer Behinderung, wird vom sehr klaren Annährungsversuch seitens Anna überrumpelt, ebenfalls mit einer Behinderung. Er, der vorher nie eine sexuelle Beziehung mit einer behinderten Frau hatte, erlebt innerhalb dieser Begegnung einen anfänglichen Widerstand bis hin zur Sehnsucht/einer emotionalen Nähe Anna gegenüber, welche jedoch von Anfang bis Ende dieser Begegnung ein klares Ziel verfolgt – und dies auch für sich umsetzt….
Diese sehr klare Haltung einer Frau mit Behinderung, welche ganz selbstbewusst mit ihrer Sexualität umgeht, wurde vom Publikum beim Filmfestival als ein emanzipatorischer Akt gesehen – und letzten Endes mit dem Preis ausgezeichnet, „Neue Perspektiven“ zu aufzuzeigen!
Wie sehr Damian Webers Film bei diesem Festival am richtigen Platz war, zeigte sich bereits am Programm des Festivals; so fanden täglich um 11 Uhr Symposien oder Arbeitskreise statt, welche sich einem Tagesthema widmeten; etwa von „weder Superhelden, noch arme Behinderte – die Darstellung von Behinderung im Film“ bis etwa „eine andere Perspektive; Sexualität und Behinderung“. Podiumsgäste waren Filmemacher, „Meinungsbilder“ und Vertreter dieses Themas, welche sich wissenschaftlich damit auseinandersetzen. Beim zweiten genannten Beispiel eines Tagesthemas waren dies am 24. Erwin Aljukic (Hauptdarsteller aus „Kollegen“), Snjezana Jolic (Bloggerin aus Belgrad) und Svjetlana Timotic (Leiterin einer Frauenorganisation aus der Region Vojvodina).
Ab 17h wurden nacheinander Filme zu diesem Tagesthema gezeigt. Am Ende der Vorführungen wurde eine Podiumsdiskussion zu einem ausgesuchten Film des Nachmittags veranstaltet, bei dem die Vertreter des Films anwesend waren – im Falle des 24., Erwin Aljukic aus „Kollegen“, welcher den Fragen des Publikums zur Idee, der Realisierung und der Message des Films zur Verfügung stand.
So anregend, konstruktiv und horizonterweiternd diese Panels wie auch die Filme waren (die meisten von überraschend herausragend guter Qualität und sehr gut nacheinander ausgesucht), so war bedauerlicherweise bei jeder Veranstaltung im Kulturzentrum Novi Sad, mitten im Zentrum, stets nur eine sehr geringe Besucherzahl auszumachen – und auch hier auffallend immer die gleichen Teilnehmer, welche in irgend einer Art und Weise mit dem Festival und den gezeigten Filmen in Verbindung standen.
Der Austausch innerhalb der „Community“ war sehr rege und produktiv, wünschenswert wäre jedoch gewesen, Menschen zu erreichen, welche mit der Thematik „Behinderung“ eher weniger in Kontakt stehen. Exemplarisch zeigte sich dies bei der Filmbesprechung von
„Kollegen“, wo ein Ehepaar, welches vollkommen zufällig am Kino vorbei kam und spontan in die Vorführung ging, meinte, wie begeistert sie von den Filmen und der Qualität seien und es doch bedauerlich ist, dass nicht mehr Menschen/Besucher und vor allem die Presse davon erfahren hatten – zumal ein großer Nachholbedarf an Medienpräsenz auf dem Balkan und viel Diskussionsbedarf bezüglich des Themas „Behinderung“ besteht.
Tatsächlich war das gesamte Festival von der Organisation (auch bereits bei der Reiseplanung) über die sehr gute (Vorbereitung der) Moderation bei den Panels bis hin zur Filmauswahl oder der Nachbearbeitung (etwa in den sozialen Netzwerken) äußerst professionell und gut gemacht – hier war bei allen Machern sehr viel Herzblut und Engagement spürbar. Schwer jedoch ist auszumachen, ob die geringe Anzahl an Besuchern oder Medienvertretern der Tatsache geschuldet ist, dass das Thema „Behinderung“ auf dem Balkan noch sehr wenig Gehör findet, noch Sommerferien waren oder die Kapazitäten der Organisatoren nicht ausreichten, hier mehr Interessenten anzulocken/einzuladen.
Das UHVATI- Filmfest kann getrost als „Special- Interest“- Festival bezeichnet werden, welches auch sicherlich Besucher und Interessenten anzieht und anziehen wird, die bereits in irgendeiner Art und Weise Berührung zu diesem Thema haben. Ein Austausch innerhalb dieser Szene ist hier sehr gut gegeben. Vor allem finden die gezeigten Filme eine Plattform, die sie so qualitativ auf anderen Festivals sicher nicht hätten. Auf anderen Festivals bestünde die „Gefahr“, dass der eine oder andere Film als „Skurrilität“ durchgehen würde, wobei er aber bei UHVATI einem Publikum präsentiert wird, welches sehr differenziert und „fachlich genau“ zu urteilen weiß.
In der Zukunft wünschenswert jedoch wäre, dass dieses wirklich sehr gut und professionell durchgeführte Festival eine größere Bekanntheit in der Region wie aber auch international bekommt, sodass die gezeigten Filme auch quantitativ noch effektiver präsentiert werden können.
Das Thema „Behinderung“ wird auf dem Balkan immer noch manchmal als Tabuthema behandelt. UHVATI in seiner nun bereits 14 Jahren Kontinuität bricht diese Denkmuster auf, wenn auch nur (noch) im kleinen Kreis. Durch die Unterstützung dieses Festivals, indem Filme und Filmemacher aus der ganzen Welt eine qualitativ sehr hochwertige Plattform hier finden und daran teilnehmen, kann dazu verholfen werden, dass dieses Festival auf jeden Fall weiter bestehen, diese Qualität weiter halten kann – und bestenfalls wachsen kann, und somit in der Region wie aber auch als sehr gutes Beispiel außerhalb dieser fungieren kann, gesellschaftliche Denkmuster zu durchbrechen.
Eine Anregung etwa könnten Zusammenarbeiten mit renommierten Festivals in Westeuropa sein (etwa der Berlinale) – die Qualität dazu hat UHVATI auf jeden Fall!
www.uhvatifilm.org