CIFF – Cardiff International Film Festival
Das 3. Cardiff International Film Festival („CIFF“) wartet mit einem Mix aus regionalen und internationalen Kurz- & Langfilmen auf und bietet dabei von Dokumentarfilm über Horror und Science-Fiction bis zur Animation und Vorortreportagen so ziemlich alles an, was das regionale Publikum interessieren könnte. Es ist eine Plattform, die gleichermaßen jungen sowie erfahreneren Filmemachern aus der englischen, walisischen und internationalen Filmszene ermöglicht ihre Filme einem größeren Publikum zu präsentieren. Somit einerseits eine interessante Vielfalt an angebotenen Produktionen, andererseits führte dies aber auch zu einem derart bunten „Qualitäts- und Genre-Stil Mix“, dass ich persönlich mir eine selektivere Kuration des Programmes gewünscht hätte.
Zu dem Filmprogramm, das in zwei Sälen der University of South Wales und im Hauptraum des historischen Pierhead Building in der Cardiff Bay ausgestrahlt wurde, gab es eine Eröffnungsfeier mit rotem Teppich, Blitzlichtgewitter für die Holly- & Bollywood Prominenz im Atrium der Universität, sowie Workshops und Panels. Diese Panels waren leider zumeist inhaltsarm, deuteten aber immerhin den Versuch an Diskussionen in Gang zu setzen. Das 3. CIFF bot zudem eine fulminante Preisverleihung mit burlesker Showeinlage, ein Galadinner in einem sehenswerten Saal mit walisischer Drachendeckenmalerei und Judy Dench, die sich via Videobotschaft für den „Live Achievement Award“ bedankte.
Den offensichtlichen Bemühungen von Seiten der mitveranstaltenden Universität von South Wales und ihren Filmstudenten stand eine „Rote Teppich Selfie Manie“ der Prominenz gegenüber, die mir den Eindruck vermittelte, der Festivaldirektor wolle die örtliche Independent Filmszene als „Little Hollywood“ verkaufen. Eine mir völlig fremde Strategie. Hat sich doch gerade die Indie Filmszene schon vor Jahrzehnten zu einem eigenen Wirtschafts- und Publikumszweig entwickelt und die Qualität dieser Querdenker und Freigeister, die trotz geringer Mittel einen Film produzieren, ist für mich gerade das was Filmfestivalprogramme heute so wertvoll macht. Für mich sollten Festivals ein Mekka neuer Ideen und anderer Erzählweisen sein, eben alles nur nicht Mainstream. Und so passte diese „Glamour is Everything- Festivalstrategie“ nicht so recht zu der Mehrzahl der Filme, bei denen es sich um „echte Indies“ handelte, also um mit geringsten Mitteln realisierte Filme, die größtenteils eher noch aus dem Ausprobierstadium der Filmemacher stammten. Bedauerlicherweise wurden diese dann auch noch in denselben Blöcken gezeigt wie regionale Reportagen, die im Rahmen von Schulprojekten entstanden sind. Die die anderen Filme eher abwerteten als einen thematischen Schwerpunkt abzurunden. So erging es dann auch meinem Kurzfilm.
Das nach außen altehrwürdige Backsteingebäude das Pierhead Building entpuppte sich im Inneren als säulengetragene Halle. Der Workshop vor meinem Film, den ich auf keinen Fall verpassen wollte, offenbarte sich als ein Flop. Erst dachte ich, ich hätte mich im Veranstaltungsort geirrt. Dann wurde mir klar, dass es sich bei einer der beiden Personen in der Stuhlreihe vor mir tatsächlich um den Workshopleiter Edward Russel handelte, der gerade das „Wer-möchte-kann-mir-einfach-direkt-Fragen-stellen-Spiel“ mit einer Filmemacherin namens Sarah spielte, die irgendwie auch zum Orga-Team gehörte. Ganz verstanden habe ich ihre Position und die vieler Anderer allerdings bis zum Ende nicht. Es gab keinen Vortrag, keine Einleitung zur Person oder zum Thema, nur Russel, der sich kurze Zeit später als Fachmann für die Auswertung von Serien auf dem Fanmarkt entpuppte. Mit anderen Worten, er entscheidet welches Motiv auf T-Shirts gedruckt wird oder wie man eine Serienfigur am besten in welcher Pose in eine plastische Sammlerfigur verwandeln kann. Angesichts des Workshop Titels „Getting your film or series ready for TV Network“, hatte ich mir erhofft, einen Einblick in die Akquisition von Serienkonzepten des BBC zu erhalten. Diese Hoffnung wurde nun leider enttäuscht.
Alle anderen, die sich überhaupt mal im Programmangebot des Festivals umgeschaut hatten, schienen diese „Mogelpackung“ bereits vor mir erkannt zu haben, denn außer der Festivalhelfer und Techniker war der Raum leer. Dies könnte allerdings auch daran gelegen haben, dass es verfehlt wurde, die Gäste des Festivals besser über dessen Events zu informieren und zusätzlich zu Facebook und Instagram Posts noch weitere Vermarktungskanäle zu mobilisieren. Letztlich trudelten doch noch Gäste ein, vornehmlich 60plus.
Schon setzte bei mir wieder etwas Optimismus ein und ich dachte mir, dass ein „Roter Teppich Bericht“ in den lokalen News im Vorabendprogramm möglicherweise doch die effektivere Werbemaschinerie sein könnte, als Poster designen, drucken, verteilen und Werbeflächen anzumieten, wie ich es erwartet hatte. Als dann mein Film angeschmissen wurde, standen einige von ihnen noch tratschend herum. Was ich ihnen nicht einmal verübeln konnte, da wir uns sowieso gefühlt eher in einer alten Markthalle befanden, als in einem Kinosaal. Trotzdem ertappte ich mich zu Beginn des Screenings dabei frustriert zur Kenntnis zu nehmen, dass das Ende für viele schon nicht mehr richtig funktionieren würde, da sie jetzt den Anfang verpasst hatten. Dann schaffte es mein Film tatsächlich den Großteil, der inzwischen sitzenden Zuschauer zu fesseln, jedenfalls machte sich eine konzentrierte Stille breit und den anschließenden Applaus erinnere ich als beachtlich. Zu meiner Überraschung, gingen dann auch noch die Lichter an und vor die Leinwand trat tatsächlich der Festivaldirektor Rahil Abbas. Im Stillen dachte ich: „Jetzt wird alles gut!“
Abbas lächelte und sagte: “Did you like this film?”, beantwortete die Frage sogleich selbst, mit „Yeah?“, nickte und begann die laut hereinpolternde Truppe zweier älterer Herren inklusive Keyboard, Mundharmonika und junger Sängerin im Schlepptau vorzustellen. Es folgte ein walisisches Volkslied, das wir in den folgenden 40 Minuten gut weitere 6x zu hören bekamen. Und zwar in einer laienhaften Reportage über einen Waliser Nationalisten namens Harri Webb.
Als nach dem Screening ein weißhaariger Mittsechsziger, der meinen Verdacht des etwas zu extremen Nationalstolzes des Portraits dieses Volkshelden ziemlich rasch bestätigte, unter lautem Beifall nach vorne ging, wurde mir klar, warum der Saal so gut gefüllt war.
Was mit dem Kurzfilm „Nina“, der laut Programmheft nach meinem hätte laufen sollen, passiert ist, bleibt allerdings genauso ungeklärt, wie die Frage was für eine Propaganda Veranstaltung das Festival hier gerade unterstützt hat. Ich konnte meine Enttäuschung jedenfalls nur noch schwer verbergen und verlies fluchtartig den Raum. Warum nur hatte niemand den Festivalleiter über meine Anwesenheit informiert? Ein Minimum an Respekt, gegenüber der angereisten Künstler und ein kleines bisschen Wertschätzung von Publikum und Kollegen wären so essentiell für meine CIFF-Erfahrung gewesen.
So bleibt für mich nur positiv in Erinnerung eine pulsierende Hauptstadt, die nicht nur als Drehort, sondern auch charakterlich unheimlich viel zu bieten hat. Cardiff erscheint mir als eine Stadt, die ganz offensichtlich noch nicht ausgeschlachtet wurde und wenn überhaupt dann bisher fast ausschließlich für Hollywood Actionfilme als New York Kulisse herhalten musste. So auch an diesem Wochenende, als der Regisseur Antoine Fuqua für einen Autostunt seines neuen Actionfilms „Infinite“ mit Mark Wahlberg mal eben zwei Tage lang Cardiffs Hauptverkehrsader sperren ließ. Stolz und im eindeutigen Überstundenmodus versperrten zahlreiche Gelbwesten jegliche Schlupfwinkel um das Set herum und gaben dabei geduldig Auskunft.
So weicht meine Enttäuschung über das Festival mit jedem Schritt, den ich mich von demselben entferne und macht sich eine wohlige Vorfreude auf den eigenen nächsten Dreh breit, die Besinnung auf den inneren Antriebsmotor aller Filmemacher möglichst bald die nächste Geschichte erzählen zu wollen. Als ich kurz vor meiner Unterkunft noch einen schnellen Blick auf die Zirkusakrobaten, in der alten gotischen, zum Fitnessstudio umfunktionierten Kirche erhasche und gleich danach dem netten Kellner vom Vorabend aus dem syrischen Restaurant zuwinke, denke ich: „Sollen sich doch die Anderen um die Filmvermarktung kümmern!“ Fragt sich natürlich nur wer „die Anderen“ sind. Denn, nur für den Fall, dass es noch mehr Filmemachern auf Festivals so ergeht wie mir in Cardiff, blieben da ja eventuell bald nicht mehr so viele Personen für diese Aufgabe übrig. Ich habe keine Ahnung wohin uns die „Festivalkultur der Tausenden Frischlinge“ noch hinführen soll. Quantität und Qualität sind auf jeden Fall ein himmelweiter Unterschied und das was ich jetzt als UK Premiere meines Kurzfilmes auf digitalen Kanälen verbuchen kann, war in Wirklichkeit eine waschechte Farce. Das soll nicht heißen, dass es Euch eventuell genauso geht, aber sagt später nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt!