Ivy Film Festival 2018
Das Ivy Film Festival fand vom 9.-15. April 2018 an der Brown University in Providence, Rhode Island statt. Seit 2001 werden im Rahmen des Festivals studentische Filme präsentiert. Es gehört zu einem der größten studentisch organisierten Filmfestivals weltweit. Seit 2017 gibt es zusätzlich zu den Kurzfilmen auch eine kurierte Ausstellung zu Virtual Reality, Augmented Reality und Medieninstallationen.
Meine VR-Dokumentation Lionhearted wurde im Rahmen der „VR Arcade“, der VR-Ausstellung, auf VR-Brillen ausgestellt. Da es die Festivalpremiere unseres Films war, habe ich mich nach Providence begeben, um den Film zu vertreten.
Informationen zum Programm
Das Festivalprogramm besteht aus vier Bausteinen. Das Herzstück des Festivals sind Kurzfilmblöcke, die aus studentischen Kurzfilmen aus der ganzen Welt bestehen. Ich war über die Qualität und Originalität der Kurzfilme sehr beeindruckt. Der zweite Baustein sind Langfilme etablierter Filmemacher. Jeden Abend lief ein Langfilm mit anschließendem Q&A mit dem Regisseur oder Autor. Die meisten dieser Filme sind Filme, die zuletzt beim Sundance Film Festival gezeigt wurden. Der dritte Baustein ist ein Drehbuch-Wettbewerb mit Life-Lesung von Ausschnitten. Die Kategorien der Drehbücher sind Undergraduate Kurzfilm und Langfilm, Graduate Kurzfilm und Langfilm und Serienstoffe. Der vierte Baustein ist eine Ausstellung für neue Medienformate mit Schwerpunkt Virtual Reality Filme und VR-Games.
Somit deckt das Programm verschiedene Genres und Formate ab. Es zieht verschiedene Filmemacher an: Nachwuchs-Drehbuchautoren, Nachwuchs-Regisseure und durch die Langfilme bereits etablierte Autoren, Regisseure und Schauspieler/Produzenten. Klassische Filmemacher haben die Möglichkeit sich 360° und VR-Filme anzuschauen. Regisseure und Produzenten haben die Möglichkeit, Nachwuchsautoren kennen zu lernen.
Ich war von Donnerstag bis Sonntag beim Festival anwesend. Das meiste Programm findet an dem Festivalwochenende (Freitag, Samstag und Sonntag) statt. Das Team vom Ivy Film Festival (kurz IFF) fordert Filmemacher auf, insbesondere zu dem Festivalwochenende zu kommen. Jedes Jahr lädt das IFF etablierte Hollywood Filmemacher ein. In den letzten Jahren waren unter anderem Robert De Niro und Tilda Swinton eingeladen. Dieses Jahr präsentierte Shia LaBeouf seinen Film #Takemeanywhere. Diese Veranstaltung fand jedoch bereits am Montag statt, sodass ich davon nicht berichten kann.
Einige Veranstaltungen, die ich besucht habe, möchte ich exemplarisch vorstellen. Am 12. April fand das Screening des BBC Langfilms On Chesil Beach statt. Für das Q&A wurde der britische Regisseur Dominic Cooke eingeflogen. Am 13. April wurde die Indieproduktion We The Animals gezeigt. Anschließend war der Autor der Buchvorlage Justin Torres für ein Q&A anwesend. Dieser poetische Coming of Age Film war eine Überraschung. Der Film hat eine innovative Erzählsprache und ist künstlerisch eine Filmperle. Der Kinostart in den USA ist der 10. August 2018, für Deutschland steht noch kein Kinostart fest.
Panel & Workshop
Es wurden zwei Panels zum Thema The Future (of film) is Female organisiert. Die eingeladenen Gäste waren die Schauspielerinnen Victoria Tennant (L.A. Story) und Isabelle Furhman (Hunger Games). Ich habe an den Panels nicht teilgenommen.
Es wurde ein Virtual Reality Workshop mit dem Titel A-Frame VR Workshop angeboten. Dieser zweistündige Workshop war eine Einführung in die Programmiersprache A-Frame, mit der sich leicht VR-Prototypen erstellen lassen. Der Workshopleiter war Patrick Raleigh, ein Professor der Brown University. Ich kannte mich vor dem Workshop nicht mit A-Frame aus und habe durch die Teilnahme an dem Workshop einen schnellen und kompakten Überblick zu den Möglichkeiten dieser Programmiersprache bekommen.
Drehbuchlesung
Eins meiner persönlichen Highlights des Festivals war das Event Screenplay Reading and Brunch am 14. April. Über 100 Drehbücher wurden dieses Jahr zum Wettbewerb eingereicht. Aus jeder Kategorie wurden die besten drei Drehbücher ausgewählt. Ein Panel, bestehend aus professionellen Schauspielern und Brown Studenten, las Ausschnitte der Drehbücher vor. Unter anderem las der Schauspieler Robert Capron vor, der als Darsteller aus Diary of a Wimpy Kid / Gregs Tagebuch bekannt ist. Robert Capron studiert an der Brown Universität und ist Mitglied des Organisationsteam des Festivals. Mehrere Drehbuchstudenten und Absolventen von Top-Schulen wie Columbia University, New York University und University of Southern California waren beim Event anwesend. Ich konnte mit ihnen ins Gespräch kommen und Kontakte knüpfen. Da ihre Drehbücher vorgelesen wurden, konnte ich mir zugleich ein Bild zu deren Arbeiten machen.
VR Arcade
Mein Film Lionhearted (Löwenherz) wurde mit drei weiteren 360°/VR-Filmen auf vier VR-Brillen ausgestellt. Besucher konnten aus den vier Filmen wählen. Zusätzlich wurden zwei interaktive VR-Projekte und drei installative Projekte in anderen Bereichen der Ausstellung gezeigt. Insgesamt war ich über die Qualität der anderen VR-Projekte positiv überrascht. Der Raum wurde durch besondere Lichtsetzung atmosphärisch futuristisch eingerichtet. Das Ambiente war einladend und gemütlich. Ich konnte viele Eindrücke zum Film sammeln und mein eher ruhig geschnittener, langsamer Film kam insgesamt sehr gut an. Es war sehr bereichernd und interessant mit US-Amerikanern und internationalen Filmemachern ins Gespräch zu kommen und ein konkretes Feedback zu meinem Film zu bekommen.
Übernachtung in Providence
Das Festivalteam hat den teilnehmenden Filmemachern angeboten, eine Unterkunft zu organisieren. Jeder Filmemacher konnte auch einen weiteren Gast mitbringen. Die Unterkünfte für Studenten/Absolventen waren eher provisorisch. Man konnte zwischen privater Unterkunft und einer Unterkunft in einem Student Hall auf dem Campus der Brown University wählen. Da meine Gastgeberin an einem Abend privat verhindert war, habe ich an dem Freitag beim Kurator der VR-Ausstellung in einer Studenten-WG im Wohnzimmer übernachten. Am Samstag habe ich auf der Couch in einem typischen Studentenwohnheim (eher luxuriöser Natur) auf dem Brown Campus übernachtet. Andere Filmemacher haben von ihren Gastgebern die Zimmer bekommen und wieder andere Filmemacher haben sich ein Hotel genommen. Ich persönlich fand es sehr interessant, Einblick in ein Studentenwohnheim der Ivy Leage zu bekommen, und konnte so auch bessere Kontakte zu den Organisatoren des IFF knüpfen.
Netzwerken und Atmosphäre des Festivals
Die meisten Studierenden der Brown University sind deutlich jünger als deutsche Studenten. Absolventen eines vier jährigen Bachelor Studiums bekommen bereits mit 22 Jahren ihren Abschluss. 2017 habe ich mit 26 Jahren ein Diplom der Filmakademie Baden-Württemberg erhalten und gehöre eher zu den jüngeren Absolventen meines Jahrganges. Somit waren viele Brownstudenten, Besucher des Festivals und Studenten im Festivalorgateam unter 21 Jahre alt.
Mein persönlicher Eindruck war, dass dies in den meisten Situationen eher ein Nachteil des Festivals ist. In kurzen Gesprächen wirkten die meisten jungen Studenten naiv und sehr „begeistert“. Hier erschweren natürlich auch kulturelle Unterschiede die Kommunikation und Wahrnehmung. Neben sehr interessanten Gesprächen mit den Kernfestivalorganisatoren (die auch erst 21/22 Jahre alt waren) habe ich mich vor allem mit den eingeladenen Filmemachern unterhalten. Davon waren einige aus New York (NYU und Columbia-Absolventen). Diese Studenten und Absolventen haben bereits eine eigene filmische Handschrift entwickelt und waren sehr interessante Gesprächspartner. Zusätzlich habe ich auch einige Autoren aus Los Angeles kennen gelernt.
Die Atmosphäre des Festivals war sehr heimisch. Viele kleine Events im Nebenprogramm ermöglichten den Austausch im kleinen Kreis (Cocktailparty, Brunch, Hauspartys). Insgesamt waren 30 externe Filmemacher beim Festival anwesend. Somit konnte ich besonders mit einigen Filmemachern eine gute Verbindung aufbauen, da man sich ja regelmäßig bei den Events wieder sah. Die Atmosphäre bei den Q&A war sehr familiär und angenehm. Das Festivalteam hat die Organisation des Festivals sehr professionell umgesetzt. Ich hatte jederzeit einen Ansprechpartner vor Ort. Die amerikanischen Studenten waren sehr zuvorkommend und hilfsbereit.
Fazit
Für mich hat die Teilnahme am IFF viel gebracht. Ich konnte viel Feedback zu meinem Film bekommen und den Film vertreten. Zusätzlich habe ich Kontakte zu US-amerikanischen Filmemachern und Schauspielern aus LA und New York City geknüpft.
Brown ist eine Eliteuniversität, die immer wieder bekannte Filmemacher und Studenten anzieht. Unter anderem hat Emma Watson (Harry Potter) bis 2004 an der Brown University studiert. Ich war persönlich sehr überrascht, Robert Capron (Gregs Tagebuch) zu treffen, der auch ein regulärer Student der Brown University ist. Somit können sich alleine schon wegen der Anziehungskraft der Hochschule interessante Kontakte ergeben.
Ich konnte bisher nicht zum Sundance Fim Festival fahren, daher waren für mich auch die Langfilmscreenings interessant. Ich denke für jemanden der bereits beim Sundance Film Festival war, würde das Langfilmprogramm weniger spannend sein.
Insgesamt kann ich die Teilnahme des Festivals insbesondere für Autoren, Produzenten (auf der Suche nach Nachwuchsaustoren und Regisseuren) und Regisseuren empfehlen.
www.ivyfilmfestival.org/