Kyoto International Student Film and Video Festival 2018
Das Kyoto International Student Film and Video Festival (KISFVF) ist ein kleines, komplett von Studenten organisiertes Filmfestival in Kyoto und fungiert gleichzeitig als Studentensektion des weit größeren Kyoto International Film and Art Festival (KIFF), welches gut einen Monat vor dem KISFVF in Kyoto stattfindet. Während auf dem KIFF vorwiegend asiatische Produktionen gezeigt werden, ist der Fokus des KISFVF eindeutig internationaler gesetzt. Neben meinem Film ROTKÄPPCHEN, laufen mit MASCARPONE (Jonas Riemer, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF), ENDLING (Alex Schaad, HFF München) und LOVE ME, FEAR ME (Veronica Solomon, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF) drei weitere deutsche Produktionen. Darüber hinaus werden Filme aus Estland, den USA, Kolumbien und Holland gezeigt. Aber auch viele asiatische Produktionen werden gescreent. Schon nach dem ersten Festivaltag mit zwei Filmblöcken bin ich begeistert von der Diversität der ausgewählten Filme. Kurzfilme von zwei bis zu dreißig Minuten werden in einer Mischung aus Animations- und fiktionalen Filmen in vier Blöcken zusammengestellt, gezeigt. Darüber hinaus gibt es den gesonderten Block JAPAN FOCUS, in dem ausschließlich japanische Filme gezeigt werden, die aber leider nicht englisch untertitelt sind.
Da mir die Organisatoren des Festivals rieten, wegen des Jetlags einen Tag vor dem ersten Festivaltag anzureisen, komme ich bereits am Montag in Kyoto an. Ich fliege von Hamburg über Frankfurt nach Osaka und fahre mit dem Expresszug ungefähr eine Dreiviertelstunde weiter nach Kyoto. In der ehemaligen Kaiserstadt angekommen, bin ich erst einmal beeindruckt von dem großen Bahnhof. Ich manövriere mich durch die Menschenmassen und komme an einem noch größeren Busbahnhof hinaus. Da im Gegensatz zu Tokyo oder Osaka, in Kyoto viele der Schilder ausschließlich in japanischer Schrift sind, relativ wenige Leute englisch sprechen und ich den Bus, den mir die Organisatoren empfohlen hatten, einfach nicht finde, entschließe ich mich kurzerhand zu Fuß zum Hostel zu gehen.
Nach einem halbstündigen Marsch und einigen falschen Abzweigungen stehe ich endlich vor der vom Festival für mich gebuchten Unterkunft. Es ist eine Art Jugendherberge, in der jedoch, anders als in Deutschland, jeder seine eigene „Kabine“ hat. Etwas gewöhnungsbedürftig ist es schon, in dieser Art Holzkasten zu schlafen, aber es ist gerade genug Platz und angenehm ruhig.
Am nächsten Tag versuche ich den Weg zur Festivalstätte zu finden und entdecke die Schönheit und Klarheit Kyotos. Man kann sich wunderbar von einer Straße zur nächsten treiben lassen und kommt doch relativ schnell wieder an irgendeiner Stelle heraus, die man kennt. Meine Dolmetscherin erklärt mir später, dass dies mit der besonderen Anordnung Kyotos zu tun hat - fast alle Straßen sind gerade und in dem gleichen Abstand zu einander angelegt. So ist die Orientierung auch ohne englische Schilder in Kyoto nach kurzer Zeit recht einfach.
Der Austragungsort des Festivals ist nicht wie in den vorangegangenen Jahren ein Einkaufszentrum, sondern ein Kinosaal im Museum of Kyoto, einem Museum für kyotische Traditionen und Handwerkskunst. Im Museum angekommen, werde ich direkt von zwei der Organisatoren empfangen. Alle sind sehr höflich, aufmerksam und aufgeregt. Wir sprechen über meine Anreise und ich werde schon gleich über meinen Film ausgefragt. Alle anwesenden Personen scheinen alle Filme gesehen zu haben und auch gut informiert über die einzelnen Filmemacher zu sein. Neben mir sind noch eine kolumbianische Filmemacherin, ein niederländischer und zwei japanische Filmemacher anwesend.
Vor jedem Screening findet eine genaue Besprechung des Ablaufs statt. Dies ist im Gegensatz zu den Erfahrungen, die ich auf Festivals in Deutschland gesammelt habe, sehr ausführlich gehalten. Anwesend sind die Filmemacher aus dem jeweiligen Block, die Dolmetscherin und zwei Organisatoren bzw. Moderatoren des Abends. Alle Fragen werden genau durchgegangen und auch die Antworten bereits im Vorfeld festgelegt. Dies nimmt ein wenig Spontaneität, aber gibt allen – auch mir – dafür eine gewisse Sicherheit. Vor dem zweiten Screening wird der gesamte Ablauf wiederholt, sodass es zu keinerlei Pannen kommen kann. Die Dolmetscherin erklärt mir, dass alle sehr darauf bedacht sind, niemanden in eine unangenehme Situation zu bringen. Und im nächsten Moment mache ich genau das – ich trete in mein erstes Fettnäpfchen. Im Vorraum des Kinosaals sind zu jedem Film das Plakat, eine kurze Synopsis und ein Bild des Filmemachers aufwändig auf Leinwände gedruckt. Es sieht toll aus und ich mache ein paar Fotos. Unter tausendfachen Entschuldigungen legt mir eine der Organisatoren mit Hilfe der Dolmetscherin nahe, dies umgehend zu unterlassen. Ich stecke schnell mein Handy weg und mache mich auf den Weg in den Kinosaal. Der Saal ist gefüllt, aber keineswegs voll. Auf die Frage, ob dies viele Leute seien, erklärt mir die Dolmetscherin, dass die Kyoten einfach zu lange arbeiten als dass sie schon um 18h ins Kino kommen könnten. Sie soll Recht behalten, denn im zweiten Block, der im Anschluss startet, ist es schon weit voller. Aber auch mit einem nicht ganz gefüllten Saal im ersten Block ist mein Screening ein voller Erfolg. Es gibt viele Fragen aus dem Publikum und da ich die einzige anwesende Filmemacherin bin, reden wir insgesamt fast eine Stunde über meinen Film. Eine intensive Erfahrung, die ich so noch nie gemacht habe.
Über die Screenings hinaus gibt es beim KISFVF keine Veranstaltungen für die Filmemacher. Abendliche Essen waren zwar geplant, kommen dann aber nur einmal zu Stande. Die Preisverleihung findet wieder im Museum statt und ist aufwändig gestaltet. Es werden viele Reden gehalten und die Jury eingehend vorgestellt. Da die Verleihung auf Japanisch abgehalten wird, hat unsere Dolmetscherin alle Hände voll zu tun uns vier nicht japanisch sprechenden Filmemachern zu erklären, worum es gerade geht. Als dann der Name Rotkäppchen fällt, verstehe ich erst einige Momente später, dass mein Film den Publikumspreis gewonnen hat. Ich bin dankbar und beeindruckt, dass der Film auch – wie man so schön sagt – am Ende der Welt seine Zuschauer findet und offenbar fesselt. Nach der Preisverleihung findet noch eine Party statt, auf der traditionell japanisch gegessen wird, und sich noch einmal die Möglichkeit bietet mit den Organisatoren des Festivals und den anderen Filmemachern zu sprechen.
Insgesamt ist das KISFVF ein kleines aber feines Festival, das nicht nur einen Einblick in die japanische Filmkultur, sondern auch in eine wahnsinnig aufregende, tolle Stadt und ihre Bewohner bietet. Ich danke German Films für die Möglichkeit dieses Festival besuchen zu können und freue mich, den deutschen Kurzfilm dort habe repräsentieren zu dürfen.
www.kisfvf.com