Drama International Short Film Festival 2010
21.-26.09.2010
Bericht von Christos Dassios (UNDERGROUND ODYSSEY)
Drama ist ein kleines Städtchen mit ca. 35.000 Einwohnern in Ost-Makedonien, zwischen Ägäis und Bulgarien im Hochland gelegen. Einige alte Gebäude erinnern an die „Goldene Zeit“, als Tabakhandel und Baumwollproduktion das Stadtbild prägten. Heute würde sich für dieses Örtchen niemand mehr interessieren, gäbe es da nicht das wichtigste Kurzfilmfestival Griechenlands: Das Short Film Festival in Drama. Dieses fand dort vom 21. bis zum 26. September 2010 zum 33sten Mal national und zum 16ten Mal international statt.
Mein Herzblut der letzten eineinhalb Jahre, UNDERGROUND ODYSSEY ein Kurzspielfilm von 6 Minuten Dauer, wurde vom Festival zur Teilnahme am nationalen Wettbewerb (!) ausgewählt und lief in der Kategorie „Greeks Of The World“, einer Sondersparte für im Ausland lebende griechische Filmemacher.
Mein Kollege und filmischer Genosse Robert Nacken, wie meine Liebe und Partnerin begleiteten mich. Die Fahrt über das Hochplateau bei untergehender Sonne auf die Stadt hinzu erzeugte Eindrücke der Paradoxie in uns, welche sich später auch bestätigen sollten. Drama ist voller kleiner Wunder und Zufälle und wäre es eine der zahlreichen Ägäis-Inseln, würde ich mit den eben dort häufig anzutreffenden Aussteigern einstimmen und von „MAGIC“ sprechen. Tatsächlich lässt das Festival die Stadt zu einer Art Insel werden, einer Stadt zeitweilig mit Künstlern und Besuchern aus der ganzen Welt vollgestopft, um die herum es nichts als Kino und das Festival gibt.
Die Veranstalter des Festivals vermitteln eine ungezwungene und entspannte Atmosphäre, haben einen hohen Anspruch und werden diesem weitestgehend gerecht. Umso erstaunlicher, warum die FFA in ihrer Liste der zu berücksichtigenden Festivals dieses – immerhin von der EFA (www.europeanfilmacademy.org) bedachte – Festival nicht führt. Dies wäre sicherlich eine Überlegung wert, auch wenn es dann für die „5 Punkte“ zu spät ist.
Der Eröffnungsabend bot reichlich Krawatten, Pumps und Smalltalk und wurde von einer ambitionierten Videopräsentation gesäumt, welche die Partner und Sponsoren, sowie deren Absichten zu verdeutlichten suchte. Besonders hervorzuheben ist dabei die AG Kurzfilm und deren Kinderfilmprogramm, welches letztlich auch gerne und zahlreich wahrgenommen wurde.
Ab Montag ging es dann richtig los – kein get-together in den Bergen, sondern ein waschechtes Filmfestival mit allen Schikanen. Unterteilt wurde in National, International und Digi.
Ja, richtig: Das von den Elektronikkonzernen als verheißungsvoll aufgesetzte digitale Medium wird hier in eine Nebenkategorie verbannt. Alles Andere ist perforiert.
Für einen lupenreinen Cineasten wie mich, der allzu oft von gefährlich geförderten Hochschul-Wackel-Digicam-Dokumentationen der Aus-Zufall-und-just-for-fun Studierenden, welche sich bisweilen herrlich akademisch herablassend um die „Minderheiten“ und deren Sorgen „kümmerten“, über die Fremdscham hinaus bis zur Wut getrieben wurde, stellte diese Unterteilung eine Wohltat dar. Und? So, das filmische Niveau war sehr hoch.
Unser Filmchen wurde, nach technisch einwandfreier Vorführung der OmE mit zusätzlich projektierten griechischen Untertiteln im Kino „Olympia“ am Dienstag Abend, durchweg positiv aufgenommen, wobei es das Publikum eher zum Nachdenken brachte, als zum Lachen. Jeder Deutschsprachige - der den Film kennt - wird sich wundern zu hören, dass es während der Vorführung keinen einzigen Lacher gab! Die Faszination äußerte sich in Respekt vor der Eigenwilligkeit und reichte von einer erstaunten Kodak-Verkaufsleiterin – „Oh, ORWO, das habe ich seit 1984 nicht mehr gesehen!“ bis hin zu einschlägigen Kooperationsangeboten für die Zukunft von Casting-Agenturen, Kameraleuten, Darstellern, und dem Greek Film Centre.
Für den griechischen Wettbewerb kann ich sagen, dass manche Filme in Ordnung und viele sehr gut waren, aber keiner schlecht! Selbst jene, welche mir missfielen, waren gut! Sollte digital gedreht worden sein, so stets wenigstens höchstauflösend und mit der Absicht Plansequenzen oder gar Monoplansequenzen realisieren zu können. Eine Botschaft war stets vorhanden und nicht bloß eine Insider-message. Politische Themen – nicht politisch korrekte! – waren beliebt und siegten letztendlich, aber auch soziologische, religiöse und kulturelle Themen waren dominierend. Handwerkliches Bewusstsein war oberstes Gebot.
Ein Film, gewiss er war mit Beteiligung Filmschaffender erster Klasse erstellt, vermochte es sogar während des Höhepunkts eine Gänsehaut bei mir zu erzeugen, welche über Minuten hinweg anhielt. Ein Anderer war Paradebeispiel expressionistischer Poesie: die geheimnisvolle Dame auf einer Party und nicht etwa die mit dem kürzesten Röckchen – dieser Film ging entsprechend leer aus. Ich konnte lachen und schmunzeln, trauern und sinnieren und immer wieder tiefste Überzeugung spüren. Das Gebot der Katharsis, Erfahren durch Schauder und Rührung, gilt in seinem Ursprungsland auch nach zweieinhalb Jahrtausenden unangefochten.
Es gab zahlreiche Sonderveranstaltungen und die obligatorischen Feiern, welche nie vor Sonnenaufgang endeten, und es gab die wundervollen, beinahe verunsichernd hilfsbereiten und herzlichen Menschen dieser Region, mit denen ich ausnahmslos gute Erfahrungen gemacht habe.
Die Vertretung des deutschen Films übernahmen wir selbstlos aufopferungsvoll bis in die tiefsten Glasböden hinein und wurden dabei auch von Jens Kiefer, IKFF Hamburg (hier: Juror im int. Wettbewerb) begleitet und unterstützt.
Als der Abend der Preisverleihung nahte, strömten auch wieder die Krawatten und Pumps herbei, doch auch der seltene Regen ergoss sich den Tränen der Enttäuschten und der Überfreudigen gleich, den Auftritt der Musik-Band vereitelnd, über das Odeon von Drama und stellte sich sinnbildlich an die Seite der allzu oft an diesem Abend mit erhobenem Finger gen anwesenden Volksvertretern gerichteten Veranstalter und Juroren, welche eindringlich klagend die Einrichtung einer staatlichen Filmhochschule forderten. Dabei verwiesen sie auf die hohe Qualität des griechischen Films und die daraus resultierende Berechtigung dieser Forderung. Meine Erfahrung aus Deutschland hat mich gelehrt, dass die Erfüllung ihrer Forderung kein Allheilmittel und ironischerweise eigentlich nicht notwendig ist, denn: Trotz fehlender staatlicher Hochschulen – Hellas (Kurz-)Filme sind großes Kino!
Wer das nicht glaubt, soll selbst hinfahren.
www.dramafilmfestival.gr
lifo.gr/mag/features/2330
Drama ist ein kleines Städtchen mit ca. 35.000 Einwohnern in Ost-Makedonien, zwischen Ägäis und Bulgarien im Hochland gelegen. Einige alte Gebäude erinnern an die „Goldene Zeit“, als Tabakhandel und Baumwollproduktion das Stadtbild prägten. Heute würde sich für dieses Örtchen niemand mehr interessieren, gäbe es da nicht das wichtigste Kurzfilmfestival Griechenlands: Das Short Film Festival in Drama. Dieses fand dort vom 21. bis zum 26. September 2010 zum 33sten Mal national und zum 16ten Mal international statt.
Mein Herzblut der letzten eineinhalb Jahre, UNDERGROUND ODYSSEY ein Kurzspielfilm von 6 Minuten Dauer, wurde vom Festival zur Teilnahme am nationalen Wettbewerb (!) ausgewählt und lief in der Kategorie „Greeks Of The World“, einer Sondersparte für im Ausland lebende griechische Filmemacher.
Mein Kollege und filmischer Genosse Robert Nacken, wie meine Liebe und Partnerin begleiteten mich. Die Fahrt über das Hochplateau bei untergehender Sonne auf die Stadt hinzu erzeugte Eindrücke der Paradoxie in uns, welche sich später auch bestätigen sollten. Drama ist voller kleiner Wunder und Zufälle und wäre es eine der zahlreichen Ägäis-Inseln, würde ich mit den eben dort häufig anzutreffenden Aussteigern einstimmen und von „MAGIC“ sprechen. Tatsächlich lässt das Festival die Stadt zu einer Art Insel werden, einer Stadt zeitweilig mit Künstlern und Besuchern aus der ganzen Welt vollgestopft, um die herum es nichts als Kino und das Festival gibt.
Die Veranstalter des Festivals vermitteln eine ungezwungene und entspannte Atmosphäre, haben einen hohen Anspruch und werden diesem weitestgehend gerecht. Umso erstaunlicher, warum die FFA in ihrer Liste der zu berücksichtigenden Festivals dieses – immerhin von der EFA (www.europeanfilmacademy.org) bedachte – Festival nicht führt. Dies wäre sicherlich eine Überlegung wert, auch wenn es dann für die „5 Punkte“ zu spät ist.
Der Eröffnungsabend bot reichlich Krawatten, Pumps und Smalltalk und wurde von einer ambitionierten Videopräsentation gesäumt, welche die Partner und Sponsoren, sowie deren Absichten zu verdeutlichten suchte. Besonders hervorzuheben ist dabei die AG Kurzfilm und deren Kinderfilmprogramm, welches letztlich auch gerne und zahlreich wahrgenommen wurde.
Ab Montag ging es dann richtig los – kein get-together in den Bergen, sondern ein waschechtes Filmfestival mit allen Schikanen. Unterteilt wurde in National, International und Digi.
Ja, richtig: Das von den Elektronikkonzernen als verheißungsvoll aufgesetzte digitale Medium wird hier in eine Nebenkategorie verbannt. Alles Andere ist perforiert.
Für einen lupenreinen Cineasten wie mich, der allzu oft von gefährlich geförderten Hochschul-Wackel-Digicam-Dokumentationen der Aus-Zufall-und-just-for-fun Studierenden, welche sich bisweilen herrlich akademisch herablassend um die „Minderheiten“ und deren Sorgen „kümmerten“, über die Fremdscham hinaus bis zur Wut getrieben wurde, stellte diese Unterteilung eine Wohltat dar. Und? So, das filmische Niveau war sehr hoch.
Unser Filmchen wurde, nach technisch einwandfreier Vorführung der OmE mit zusätzlich projektierten griechischen Untertiteln im Kino „Olympia“ am Dienstag Abend, durchweg positiv aufgenommen, wobei es das Publikum eher zum Nachdenken brachte, als zum Lachen. Jeder Deutschsprachige - der den Film kennt - wird sich wundern zu hören, dass es während der Vorführung keinen einzigen Lacher gab! Die Faszination äußerte sich in Respekt vor der Eigenwilligkeit und reichte von einer erstaunten Kodak-Verkaufsleiterin – „Oh, ORWO, das habe ich seit 1984 nicht mehr gesehen!“ bis hin zu einschlägigen Kooperationsangeboten für die Zukunft von Casting-Agenturen, Kameraleuten, Darstellern, und dem Greek Film Centre.
Für den griechischen Wettbewerb kann ich sagen, dass manche Filme in Ordnung und viele sehr gut waren, aber keiner schlecht! Selbst jene, welche mir missfielen, waren gut! Sollte digital gedreht worden sein, so stets wenigstens höchstauflösend und mit der Absicht Plansequenzen oder gar Monoplansequenzen realisieren zu können. Eine Botschaft war stets vorhanden und nicht bloß eine Insider-message. Politische Themen – nicht politisch korrekte! – waren beliebt und siegten letztendlich, aber auch soziologische, religiöse und kulturelle Themen waren dominierend. Handwerkliches Bewusstsein war oberstes Gebot.
Ein Film, gewiss er war mit Beteiligung Filmschaffender erster Klasse erstellt, vermochte es sogar während des Höhepunkts eine Gänsehaut bei mir zu erzeugen, welche über Minuten hinweg anhielt. Ein Anderer war Paradebeispiel expressionistischer Poesie: die geheimnisvolle Dame auf einer Party und nicht etwa die mit dem kürzesten Röckchen – dieser Film ging entsprechend leer aus. Ich konnte lachen und schmunzeln, trauern und sinnieren und immer wieder tiefste Überzeugung spüren. Das Gebot der Katharsis, Erfahren durch Schauder und Rührung, gilt in seinem Ursprungsland auch nach zweieinhalb Jahrtausenden unangefochten.
Es gab zahlreiche Sonderveranstaltungen und die obligatorischen Feiern, welche nie vor Sonnenaufgang endeten, und es gab die wundervollen, beinahe verunsichernd hilfsbereiten und herzlichen Menschen dieser Region, mit denen ich ausnahmslos gute Erfahrungen gemacht habe.
Die Vertretung des deutschen Films übernahmen wir selbstlos aufopferungsvoll bis in die tiefsten Glasböden hinein und wurden dabei auch von Jens Kiefer, IKFF Hamburg (hier: Juror im int. Wettbewerb) begleitet und unterstützt.
Als der Abend der Preisverleihung nahte, strömten auch wieder die Krawatten und Pumps herbei, doch auch der seltene Regen ergoss sich den Tränen der Enttäuschten und der Überfreudigen gleich, den Auftritt der Musik-Band vereitelnd, über das Odeon von Drama und stellte sich sinnbildlich an die Seite der allzu oft an diesem Abend mit erhobenem Finger gen anwesenden Volksvertretern gerichteten Veranstalter und Juroren, welche eindringlich klagend die Einrichtung einer staatlichen Filmhochschule forderten. Dabei verwiesen sie auf die hohe Qualität des griechischen Films und die daraus resultierende Berechtigung dieser Forderung. Meine Erfahrung aus Deutschland hat mich gelehrt, dass die Erfüllung ihrer Forderung kein Allheilmittel und ironischerweise eigentlich nicht notwendig ist, denn: Trotz fehlender staatlicher Hochschulen – Hellas (Kurz-)Filme sind großes Kino!
Wer das nicht glaubt, soll selbst hinfahren.
www.dramafilmfestival.gr
lifo.gr/mag/features/2330