Bericht von Martin Monk (MISSFALL)
Das FEST – New Directors, New Films Festival in der kleinen Küstenstadt Espinho bei Porto im Norden Portugals ging dieses Jahr in seine 9. Runde. Das verschlafene Örtchen ist normalerweise Anlaufstelle für Surfer, die die hohen Wellen des eiskalten Atlantiks zu schätzen wissen. Das FEST besteht aus Festival und dem Fortbildungsprogramm
„Training Ground“, wobei der Bildungsaspekt deutlich überwiegt. Dieses Jahr konnte sich die Liste der Dozenten und Redner wirklich sehen lassen: Christian Berger, langjähriger Kameramann von Michael Haneke unter anderem bei Das weisse Band; Tariq Anwar, Cutter von The King's Speech; Melissa Leo, oscarprämierte Schauspielerin aus 21 Grams; Scandar Copti, oscarnominierter Regisseur von Ajami; Peter Webber, ebenfalls oscarnominierter Regisseur von Das Mädchen mit dem Perlenohrring; Tim Corrie, Vorsitzender der BAFTA in London; sowie L.M. Kit Carson, Drehbuchautor von Paris, Texas – letzterer musste jedoch leider aufgrund von gesundheitlichen Problemen absagen.
Dieses Angebot, gekoppelt mit der Präsentation meines ersten Kurzfilms „Missfall“ im Wettbewerb des Festivals, überzeugte mich, die Reise nach Portugal anzutreten. Im Vorfeld hatte ich einen sehr angenehmen Email-Kontakt zu Vítor Rosario, der unter anderem meine Abholung vom Flughafen in Porto direkt zum Festivalgelände organisierte. Vítor war auch während des Festivals ein ausgesprochen hilfsbereiter Organisator und kümmerte sich großartig um Gäste und Filmemacher. Bei strahlender Sonne kam ich als einer der ersten Besucher am 24. Juni in Espinho an, checkte ins Festival-Hotel ein und besorgte mir meine Akkreditierungsunterlagen und den Festivalausweis. Ich hatte mich zusätzlich für die vom Festival organisierten Abendessen eingeschrieben, bei denen man in kleiner Runde mit Teilnehmern, Filmemachern, Organisatoren und Dozenten jeden Abend zusammen kommen konnte. Für einen Pauschalpreis von 69 € für die ganze Woche konnte man jeden Abend essen und soviel Wein trinken, wie man wollte. Beim strammen Workshop-Programm, dass täglich um 10h früh begann, waren die späten und trinkfreudigen Dinner durchaus eine Belastungsprobe für die Ausdauer. Das Essen war zwar die ganze Woche über enttäuschend, die Gelegenheit die oben genannten Personen jedoch persönlicher kennenzulernen war durchaus ein großer Pluspunkt des Festivals und
hat für mich persönlich zu der ein oder anderen hitzig aber leidenschaftlich geführten Diskussion geführt. Nach einigen Tagen kannte man sich gut genug, sodass sich die anfänglich etwas angespannte Stimmung lockerte und man sich aneinander gut gewöhnt hatte. Beim Essen lernt man sich erst so richtig kennen...
Die Workshops, Masterclasses und Vorlesungen waren auf der ganzen Linie ein Erfolg. Jeder Experte konnte sein eigenes Gewerk gut repräsentieren. Natürlich gab es stärkere und schwächere Vorträge aber alles in allem war der „Training Ground“ eine ausgesprochen gelungene Veranstaltung. Die Mehrzahl der anwesenden Personen war auch ganz klar wegen diesem Angebot nach Espinho gekommen. Unter den Mitgliedern stellte sich im Laufe der Woche ein tolles Gruppengefühl ein und ich habe hier wirklich tolle Kontakte zu sehr vielseitigen und interessanten Kreativen knüpfen können. Das Publikum setzte sich aus über 30 Nationalitäten zusammen – ein toller Erfolg wenn man die Größe des Festivals und das winzige Budget bedenkt. Ein klares Zeichen für die Attraktivität vom FEST! Die stärkste Fraktion stellte eine Gruppe von circa fünfzehn Norwegern dar, alle unter 20, die das Festival ordentlich aufmischten aber mit einem hohen Grad an Professionalität beeindruckten. Der Umgang mit Kameras und filmischen Inhalten war für sie eine Selbstverständlichkeit. Durch DSLRs und leichter zu bedienende (und zu bezahlende) Technik findet hier definitiv ein Generationenwechsel statt, hin zu einem selbstverständlich Umgang mit bewegten Bildern.
Die Kehrseite dieses starken Bildungsaspekts vom FEST war jener, dass die Filmprojektionen schlecht bis gar nicht besucht waren. Auch der technische Standard der Projektionen ließ einiges zu wünschen übrig. Ton- und Bildqualität war teilweise desolat, ausgebildete Techniker schlicht nicht vor Ort. Die Vorführungen waren schlecht besucht und organisiert. Das ging soweit, dass bei der Preisverleihung teilweise die Namen der Filmemacher vergessen wurden! Ich denke nicht, dass dies aus böser Absicht geschehen ist sondern vor allem mit den finanziellen Limitationen des Festivals zusammen hängt. Es wird ganz klar der Fokus aus Bildung gelegt, um den jungen Filmemachern einen möglichst profunden Einblick in die Industrie zu geben. Trotzdem muss der Festivalaspekt verbessert werden um der gesamten Veranstaltung mehr Seriosität zu verleihen.
Gleichzeitig muss man eingestehen, dass dieses Festival klar auf jüngere Filmemacher und jüngere Kinogänger abzielt und sich eine laxere, familiäre Atmosphäre deswegen eher leisten kann. Der besondere Flair des FEST kommt nicht zuletzt von dieser entspannten Attitüde seitens der Organisatoren, die darauf vertrauten, dass sich alles schon irgendwie immer regeln lässt. Man hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass die Organisatoren nicht zugänglich waren – sie waren, genau wie die Besucher, einfach junge Leute mit einer Leidenschaft fürs Kino. Aus diesem Grund würde ich den Festivalbesuch empfehlen und überlege ernsthaft, auch nächstes Jahr nach Espinho zu fahren. Nur – tolles Kinoprogramm sollte man auf keinen Fall erwarten. Dann kann das Ganze nur in einer Enttäuschung enden. Wer mit gleichgesinnten eine entspannte Zeit am Atlantik verbringen will und den persönlichen Kontakt zu Industriegrößen und talentierten jungen Filmemachern sucht, ist hier allerdings genau richtig.
www.fest.pt