Uppsala International Short Film Festival 2024
Das Internationale Kurzfilmfestival Uppsala ist sicher das bekannteste Kurzfilmfestival Skandinaviens, eines der relevantesten Europas, ein Qualifikationsfestival für die Academy Awards, BAFTA und die European Film Awards, auf der FFA-Referenzförderungsliste - und ist dennoch familiär in seiner Art und von einem kleinen, engagierten Kernteam geleitet. Es ist die seltene Art von Festival, die einerseits einen großen Namen hat und internationales Fachpublikum anzieht, aber bei dem es auch einen ausgelassenen Partyabend im engen Festivalbüro gibt und bei dem der Programme Director persönlich den Email-Kontakt rund um die Auswahl führt, so dass es sich nie anonym anfühlt, wie manche andere der großen Festivals. Dass es schon sehr lange für die Kurzfilmszene bedeutend ist und ein gewisses Selbstbewusstsein hat, sieht man auch schon an seiner Internet-Adresse www.shortfilmfestival.com.
Ich hab mich sehr gefreut, dass mein Film „Night Over R32“ für das Kortkort / Short Shorts Sonderprogramm beim 43. Uppsala Kortfilmfestival ausgewählt wurde. Es war das erste Mal, dass eine Arbeit von mir dort ausgewählt wurde, und da ich das Festival schon lange mal kennenlernen wollte, ließ ich mir die Chance nicht entgehen mit dem Film dorthin zu reisen. Die Benachrichtigung kam recht spät – die Wettbewerbe werden zuerst entschieden und eingeladen, danach die Sonderprogramme – aber es reichte noch, um die Reise zu organisieren. Und das Festival hatte noch Übernachtungs-Kontingente übrig und konnte mir für drei Nächte ein kleines Zimmer in einem Hostel/Hotel stellen. Die Anreise muss selbst finanziert werden, aber die AG Kurzfilm und German Films unterstützten mich mit einem Reisekostenbeitrag
Nachdem der anfängliche Email-Kontakt etwas verzögert lief – verständlich, wenn die Festivalleitung selbst erstmal den Kontakt mit allen Filmschaffenden führt – war dann der Kontakt mit der Gästekoordinatorin Eleanor perfekt, vermutlich die hilfsbereiteste und schnellste Betreuung, die ich je bei einem Festival erlebt habe. Dies ging auch während des Festivals so weiter. Zum restlichen Kernteam gab es während des Festivals eher wenig Kontakt, am ehesten abends in der Festivalkneipe, vorher waren diese verständlicherweise einfach zu beschäftigt oder gefragt.
In „meinem“ Kortkort-Programm liefen ganze dreißig Filme verschiedener Genres bis drei Minuten in einem Block – und zwar komplett durchgehend ohne jede Lichtpause. Ein besonderes, rauschhaftes Erlebnis, aber vielleicht auch eine leichte Überflutung von Reizen und Themen, bei der nicht jedes Werk im Gedächtnis blieb. Es half, dass ich beide Screenings mitnehmen konnte, die beide im ausverkauften gemütlichen Saal im Fyris-Kino stattfanden. Zu elf der dreißig Kortkort-Filme waren Filmschaffende vor Ort, deshalb entschied das Festival, keine Publikumsgespräche zu machen, um den Zeitrahmen einzuhalten. Stattdessen wurden die Filmschaffenden am Schluss kurz alle auf die Bühne gebeten und die Moderatorin stellte eine generische Frage – „Was sollen die Zuschauer von deinem Film mitnehmen?“ – zu der dann jeder ein kurzes Statement abgeben konnte. Das war ein bisschen schade, da man so auch kein Feedback vom Publikum bekam. Auch wenn das Publikum wie üblich aufgefordert wurde, uns hinterher draußen anzusprechen, blieben die Gespräche hinterher nur unter den Filmschaffenden und der Moderation.
Das Fachpublikum bestand zu einem großen Teil aus jungen Filmschaffenden, davon einige mit ihren Filmen, aber auch viele schwedische Film-Student:innen, für die es einige Angebote im Rahmenprogramm gab, Pitches, Workshops und Vorträge („Masterclasses“), die teilweise aber nur auf Schwedisch stattfanden. Außerdem im Fachpublikum gut vertreten waren Kuratoren und Leitungen wichtiger europäischer Festivals, wie auch andere Branchenvertreter, z.B. vom arte Kurzfilm-Team und nationalen Filmförderungsanstalten. Dadurch boten sich einige interessante Netzwerkmöglichkeiten und man merkte, dass Uppsala ein wichtiger Branchentreff ist. Weniger vertreten waren die bekannteren Namen der europäischen Kurzfilm-Szene, auch wenn einige ihrer Filme vertreten waren.
Neben den Wettbewerben und den Kortkort gab es einige weitere interessante Sonderprogramme, darunter ein Themenschwerpunkt „Punk“, ein Länderschwerpunkt Litauen, Filme der schwedischen Minderheit der Samen, Filme aus Gaza, ein Special zu Ton im analogen Film, Kinder und Jugendfilme, kinky shorts und die zur Zeit wohl unvermeidlichen KI-Filme. Die Screenings fanden in drei Sälen in gemeinnützigen Veranstaltungsorten statt: Dem Slottsbiografen (Schlosskino), dass schon Ingmar Bergman besuchte und das mit seiner üppigen Wand- und Deckenverzierung und knarzigen Holzstühlen für sich schon sehenswert ist, dem auch historischen, gemütlichen Fyrisbiografen und einem Theatersaal (Reginateatern).
Beim Slottsbiografen war auch der Vortragssaal und Infocounter/Festivaltreffpunkt, bei dem es jederzeit Kaffee und Kekse zur Stärkung gab. Hier fanden auch mehrere Empfänge statt – Netzwerkmöglichkeit und auch Gelegenheit, die teuren schwedischen Gastronomie-Preise zu vermeiden, mit Häppchen und Salaten und dem festival-eigenen Kurzfilm-Bier. Abends nach den Programmen traf man sich in der Festivalkneipe, einer craft-beer-Bar, bei der es zwar mit Akkreditierung etwas Rabatt gab, die aber trotzdem mit über circa 8€ für ein 0.3l Bier eher zur Genügsamkeit nötigte.
Auch neben dem Festival ist Uppsala auf jeden Fall eine Reise wert. Der Herbst zeigte sich von seiner schönsten Seite, das bunte Laub leuchtete in der Sonne und besonders rund um Fluss, Schloss und Kirchen war es idyllisch und sehr lebendig. Insbesondere der Dom – die größte Kirche Skandinaviens – ist einen kurzen Abstecher vom Festivalleben wert. Er ist, wie auch das Schloss, nicht weit von den Veranstaltungsorten des Festivals entfernt, die alle in angenehm kurzer Laufdistanz liegen. Nicht umsonst ist Uppsala eines der wichtigsten touristischen Zentren Schwedens und hat dank der Uni einen großen Bevölkerungsanteil junger Leute, was sich auch im Festivalpublikum widerspiegelte. Zeitgleich zum Festival fanden auch der Uppsala Marathon und ein großes Tanzturnier statt, was die Stadt zusätzlich belebte.
Insgesamt empfehle ich jedem, das Festival zu besuchen, besonders Nachwuchs-Filmschaffenden. Die Kombination aus Workshop- und Sonderprogramm-Angebot, vielen jungen Filmemacher:innen und Netzwerkmöglichkeiten zu anderen Festivals bei einer noch überschaubaren Größe mit unkomplizierten Kontakten und einem freundlichen Charme sind optimal. Beim nächsten Mal würde ich versuchen, länger zu bleiben und weitere Übernachtungen selbst zu organisieren. Es lohnt sich sicher auch, noch etwas Zeit für Uppsala selbst einzuplanen. Ich bin froh, dass ich das Festival besuchen konnte, und danke AG Kurzfilm und German Films für die Unterstützung.
shortfilmfestival.com