Belgrade International Documentary and Short Film Festival 2011
30.3.–4.4.2011
Bericht von Melanie Pieper (FLEETING VISIT)
Donnerstag
Es ist ein sommerlicher Nachmittag, als ich am Belgrader Flughafen von der Festivalmitarbeiterin Heini begrüßt werde. Ein stämmiger Serbe nimmt mir entschlossen und ohne Kommentar den Rollkoffer aus der Hand. Heini und ich stellen uns einander vor. Und dann ist da noch Enrico, Filmreporter aus Lyon, mit der gleichen Maschine aus Wien angekommen wie ich. Wir steigen in eine Limousine, am Steuer sitzt der stämmige Serbe. An mir vorbei fliegen erste Eindrücke einer aufregend anderen Kultur: Novi Beograd (Neu-Belgrad), charakterisiert durch sozialistischen Plattenbau. Ich bekomme von Heini den Filmkatalog und das Programm und sehe meinen Namen und FLEETING VISIT das erste Mal in kyrillischer Schrift. Lateinische Buchstaben machen sich rar auf den schick gedruckten Katalogseiten.
Dann, hinter der Save Brücke, beginnt plötzlich ein völlig anderes Stadtbild: das alte Belgrad. Im Zentrum werden wir vor einem eindrucksvollen Regierungsgebäude ausgeladen. Davor hängt ein großes Festivalposter. Ich werde begrüßt von Dunja, der Koordinatorin des Festivals. Heini, die sich von jetzt an um meine Belange kümmert, begleitet mich ins Hotel. Die Sonne scheint entschlossen sommerlich und ohne Rücksicht auf meine norddeutsche Auffassung von Frühling. Heini erzählt, dass sie aus Finnland stammt und derzeit slawische Sprachen in Belgrad studiert. Ich laufe also mit einer Finnin durch Belgrad.
Freitag
Am nächsten Morgen treffe ich beim Frühstück auf die deutsche Kollegin Natalie Spinell. Sie erzählt, dass sie bereits einen Tag länger hier ist und wir unterhalten uns über das Festival und die Stadt. Später treffe ich sie wieder, bei unserer vom Festival organisierten Pressekonferenz. Nationale Pressevertreter sitzen in den Reihen. Bei dieser Gelegenheit treffe ich den dritten anwesenden Deutschen Markus Kaatsch. Sowohl Natalie als auch Markus sind Studenten an deutschen Filmhochschulen und es entsteht die erste von vielen anregenden Unterhaltungen der kommenden Tage. Vor der offiziellen Pressekonferenz gebe ich Maja, einer Mitarbeiterin des Festivals, ein kurzes Interview zu meinem Film. Mit einem Übersetzer an meiner Seite stelle ich mich dann der Presse, ein kurzer Moment, bei dem leider versäumt wird, die serbischen Fragen des Moderators auch für die internationalen Zuhörer ins Englische zu übersetzen. Alleinig unsere Antworten werden übersetzt. Meine Filmpostkarten und das Werbematerial von German Films finden bei dieser Gelegenheit einige Abnehmer.
Am Nachmittag sitzen ein paar Filmemacher gemeinsam in einem Straßencafé. Mit dabei sind Petra und Peter Lataster, ein Dokumentarfilmerpaar aus Amsterdam. Ihr Beitrag NOT WITHOUT YOU wird später den Grand Prix des Festivals gewinnen. Um 17:00 Uhr läuft Markus Kaatschs Film MEIN SASCHA im Wettbewerb; an diesem Nachmittag sehe ich noch einige Filme.
Abends lädt das Festival zu einem offiziellen Abendessen in einem traditionell serbischen Restaurant. Die Runde ist international mit Filmemachern aus Europa, Israel, Palestina, und Kanada. Ein reger Austausch lässt den Tag angenehm ausklingen.
Samstag
Heute Vormittag will ich Belgrad sehen. Ich lege vor dem Kino im Dom omladine weitere Filmpostkarten aus und beginne meinen Tag im Bohemian Quarter, einer kopfsteingepflasterten Straße mit kleinen Cafés und Restaurants und einer besonderen Atmosphäre. Am unteren Ende des Hügels entdecke ich den Eingang zu einem Markt. Wie ein Faden durch ein Nadelöhr winden sich Menschen durch das offene Zauntor. Während der Rest der Stadt erst gegen Mittag zu erwachen scheint, pulsiert das Leben hier bereits. Die Stände sind reichlich bestückt, Fisch und Früchte fangfrisch.
Um 17:00 Uhr beginnt der Wettbewerbsblock, in dem FLEETING VISIT gezeigt wird. In den folgenden neunzig Minuten steht mein Film neben Natalie Spinells VIKI FICKI Filmen serbischer Herkunft gegenüber. Es entsteht dadurch eine gelungene thematische Verbindung zwischen den einzelnen Filmen, wobei jede Arbeit seine Eigenständigkeit behält. Glaube, Liebe und Sexualität ziehen sich durch alle Filme. Zum Schluss werden die anwesenden Filmemacher auf die Bühne gebeten und uns werden kurze Fragen gestellt. Gegen 19:00 Uhr merke ich wie meine Anspannung nachlässt, die Premiere von FLEETING VISIT ist vorüber. Auch an diesem Abend organisiert das Festival wieder ein gemeinsames Essen, die Unterhaltungen über unsere Arbeit werden fortgeführt.
Sonntag
Leider muss ich heute bereits vor der Abschlussgala zurück nach Hamburg reisen. Ich treffe mich noch einmal mit Natalie und wir verbringen einen sonnigen Vormittag auf der Belgrader Festung. Ich werde einen Sonnenbrand mit nach Hause nehmen und ziehe mein Fazit:
Das Dokumentar- und Kurzfilmfestival Belgrad zelebriert eben diese Filmgattungen und stellt Filme aus verschiedenen Kulturen einander gegenüber. Dadurch werden vor allem Gemeinsamkeiten gestärkt und ich öffne mich den mir fremden Erzählformen. Als anwesende Filmemacherin werde ich umsorgt und habe während meines Aufenthalts einen ständigen Ansprechpartner.
Es gibt einen dotierten Wettbewerb, in dem Filme von einer Jury geehrt werden. Zudem bekomme ich den Eindruck, dass neben dem Wettbewerb insbesondere der Diskurs zwischen den Filmemachern gefördert wird. Für mich als deutsche Regisseurin sind die Netzwerkmöglichkeiten in Belgrad in Hinblick auf Vertrieb etc. begrenzt, da das Festival nationaler ausgerichtet ist als etwa das ebenfalls jährlich stattfindende Belgrade International Film Festival. Dennoch nehme ich sehr positive und konstruktive Aspekte aus Belgrad mit: Zum Einen im Hinblick auf meine gegenwärtige und zukünftige Arbeit und zum Anderen im Hinblick auf das wertvolle Potential des Kurzfilms als kultur- und länderübergreifendes Kommunikationsmittel.
www.kratkimetar.rs
Donnerstag
Es ist ein sommerlicher Nachmittag, als ich am Belgrader Flughafen von der Festivalmitarbeiterin Heini begrüßt werde. Ein stämmiger Serbe nimmt mir entschlossen und ohne Kommentar den Rollkoffer aus der Hand. Heini und ich stellen uns einander vor. Und dann ist da noch Enrico, Filmreporter aus Lyon, mit der gleichen Maschine aus Wien angekommen wie ich. Wir steigen in eine Limousine, am Steuer sitzt der stämmige Serbe. An mir vorbei fliegen erste Eindrücke einer aufregend anderen Kultur: Novi Beograd (Neu-Belgrad), charakterisiert durch sozialistischen Plattenbau. Ich bekomme von Heini den Filmkatalog und das Programm und sehe meinen Namen und FLEETING VISIT das erste Mal in kyrillischer Schrift. Lateinische Buchstaben machen sich rar auf den schick gedruckten Katalogseiten.
Dann, hinter der Save Brücke, beginnt plötzlich ein völlig anderes Stadtbild: das alte Belgrad. Im Zentrum werden wir vor einem eindrucksvollen Regierungsgebäude ausgeladen. Davor hängt ein großes Festivalposter. Ich werde begrüßt von Dunja, der Koordinatorin des Festivals. Heini, die sich von jetzt an um meine Belange kümmert, begleitet mich ins Hotel. Die Sonne scheint entschlossen sommerlich und ohne Rücksicht auf meine norddeutsche Auffassung von Frühling. Heini erzählt, dass sie aus Finnland stammt und derzeit slawische Sprachen in Belgrad studiert. Ich laufe also mit einer Finnin durch Belgrad.
Freitag
Am nächsten Morgen treffe ich beim Frühstück auf die deutsche Kollegin Natalie Spinell. Sie erzählt, dass sie bereits einen Tag länger hier ist und wir unterhalten uns über das Festival und die Stadt. Später treffe ich sie wieder, bei unserer vom Festival organisierten Pressekonferenz. Nationale Pressevertreter sitzen in den Reihen. Bei dieser Gelegenheit treffe ich den dritten anwesenden Deutschen Markus Kaatsch. Sowohl Natalie als auch Markus sind Studenten an deutschen Filmhochschulen und es entsteht die erste von vielen anregenden Unterhaltungen der kommenden Tage. Vor der offiziellen Pressekonferenz gebe ich Maja, einer Mitarbeiterin des Festivals, ein kurzes Interview zu meinem Film. Mit einem Übersetzer an meiner Seite stelle ich mich dann der Presse, ein kurzer Moment, bei dem leider versäumt wird, die serbischen Fragen des Moderators auch für die internationalen Zuhörer ins Englische zu übersetzen. Alleinig unsere Antworten werden übersetzt. Meine Filmpostkarten und das Werbematerial von German Films finden bei dieser Gelegenheit einige Abnehmer.
Am Nachmittag sitzen ein paar Filmemacher gemeinsam in einem Straßencafé. Mit dabei sind Petra und Peter Lataster, ein Dokumentarfilmerpaar aus Amsterdam. Ihr Beitrag NOT WITHOUT YOU wird später den Grand Prix des Festivals gewinnen. Um 17:00 Uhr läuft Markus Kaatschs Film MEIN SASCHA im Wettbewerb; an diesem Nachmittag sehe ich noch einige Filme.
Abends lädt das Festival zu einem offiziellen Abendessen in einem traditionell serbischen Restaurant. Die Runde ist international mit Filmemachern aus Europa, Israel, Palestina, und Kanada. Ein reger Austausch lässt den Tag angenehm ausklingen.
Samstag
Heute Vormittag will ich Belgrad sehen. Ich lege vor dem Kino im Dom omladine weitere Filmpostkarten aus und beginne meinen Tag im Bohemian Quarter, einer kopfsteingepflasterten Straße mit kleinen Cafés und Restaurants und einer besonderen Atmosphäre. Am unteren Ende des Hügels entdecke ich den Eingang zu einem Markt. Wie ein Faden durch ein Nadelöhr winden sich Menschen durch das offene Zauntor. Während der Rest der Stadt erst gegen Mittag zu erwachen scheint, pulsiert das Leben hier bereits. Die Stände sind reichlich bestückt, Fisch und Früchte fangfrisch.
Um 17:00 Uhr beginnt der Wettbewerbsblock, in dem FLEETING VISIT gezeigt wird. In den folgenden neunzig Minuten steht mein Film neben Natalie Spinells VIKI FICKI Filmen serbischer Herkunft gegenüber. Es entsteht dadurch eine gelungene thematische Verbindung zwischen den einzelnen Filmen, wobei jede Arbeit seine Eigenständigkeit behält. Glaube, Liebe und Sexualität ziehen sich durch alle Filme. Zum Schluss werden die anwesenden Filmemacher auf die Bühne gebeten und uns werden kurze Fragen gestellt. Gegen 19:00 Uhr merke ich wie meine Anspannung nachlässt, die Premiere von FLEETING VISIT ist vorüber. Auch an diesem Abend organisiert das Festival wieder ein gemeinsames Essen, die Unterhaltungen über unsere Arbeit werden fortgeführt.
Sonntag
Leider muss ich heute bereits vor der Abschlussgala zurück nach Hamburg reisen. Ich treffe mich noch einmal mit Natalie und wir verbringen einen sonnigen Vormittag auf der Belgrader Festung. Ich werde einen Sonnenbrand mit nach Hause nehmen und ziehe mein Fazit:
Das Dokumentar- und Kurzfilmfestival Belgrad zelebriert eben diese Filmgattungen und stellt Filme aus verschiedenen Kulturen einander gegenüber. Dadurch werden vor allem Gemeinsamkeiten gestärkt und ich öffne mich den mir fremden Erzählformen. Als anwesende Filmemacherin werde ich umsorgt und habe während meines Aufenthalts einen ständigen Ansprechpartner.
Es gibt einen dotierten Wettbewerb, in dem Filme von einer Jury geehrt werden. Zudem bekomme ich den Eindruck, dass neben dem Wettbewerb insbesondere der Diskurs zwischen den Filmemachern gefördert wird. Für mich als deutsche Regisseurin sind die Netzwerkmöglichkeiten in Belgrad in Hinblick auf Vertrieb etc. begrenzt, da das Festival nationaler ausgerichtet ist als etwa das ebenfalls jährlich stattfindende Belgrade International Film Festival. Dennoch nehme ich sehr positive und konstruktive Aspekte aus Belgrad mit: Zum Einen im Hinblick auf meine gegenwärtige und zukünftige Arbeit und zum Anderen im Hinblick auf das wertvolle Potential des Kurzfilms als kultur- und länderübergreifendes Kommunikationsmittel.
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