Cleveland International Film Festival 2011
Bericht von Torsten Truscheit (DAS RAUSCHEN DES MEERES)
Cleveland, Ohio eine nicht mehr so florierende Stahlindustriestadt am Eriesee im Mittelwesten der USA scheint auf den ersten Blick nicht so attraktiv. Doch diese Stadt nennt eines der traditionsreichsten amerikanischen Filmfestivals ihr Eigen. In 35 Jahren hat sich das Cleveland International Filmfestival nicht nur zu einem „Oscar Qualifying Festival for Short Films“, sondern im Besonderen zu einem extrem sympathischen Publikumsfestival entwickelt. Am Eröffnungssamstag kamen über 10.000 Filmenthusiasten – im Schnitt sind es 7.000 Zuschauer täglich! Viele von ihnen nehmen sich extra Urlaub und mieten sich in die Hotels direkt im Festivalgebäude ein, obwohl sie in Cleveland zuhause sind. Zahlreiche „Volunteers“ leiten die Massen durch die zehn fast identisch großen Kinosäle eines Multiplexkinos, das sich in der „Mall“ des Terminal Towers – eines beeindruckenden Skyscrapers aus den 20er Jahren – befindet.
Die zweite Vorstellung meines 26minütigen Kurzspielfilms DAS RAUSCHEN DES MEERES war an einem Montag um 12 Uhr mittags terminiert. Ich rechnete mit 10-20 Fachbesuchern. Zu meiner Überraschung war der Kinosaal zu 75% gefüllt: 230 Filmbegeisterte, die z.T. in ihrer Mittagspause insbesondere die Kurzfilm-Screenings sehr gerne besuchten. Die anschließende Fragerunde überraschte mich ebenfalls, weil sowohl zahlreiche inhaltliche und gestalterische Fragen und Anmerkungen, als auch produktionstechnische Fragen gestellt wurden, die mir deutlich machten, dass der Deutsche Film im allgemeinen einen außerordentlich guten Ruf in den USA besitzt. Das Publikum bewertet jeden einzelnen Film, um den „audience choice award“ zu vergeben. Bei den Kurzfilmen bekommen die zehn bestbewertesten Filme am letzten Tag zum Audience Choice Finale eine weitere Aufführung. Dass mein Film von den 127 gezeigten Kurzfilmen in den Top10 lief und von der offiziellen Jury eine „Lobende Erwähnung“ erhielt, krönte für mich die Festivalwoche.
Das Film-Programm ist äußerst hochwertig und überrascht mit seiner großen Bandbreite aus Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilmen aller Längen und aus aller Herren Länder. Viele Dokumentarfilmvorführungen sind gekoppelt mit interessanten Panels, zusätzlichen Veranstaltungen oder Actionpapers, die die Zuschauer auffordern, aktiv zu werden. Dies geschieht einerseits durch die nachahmenswerte Idee, dass Organisationen die Vorführung einzelner Filme aus dem Programm „sponsern“ können, andererseits, dass viele amerikanische Filmemacher Meister in Marketingkampagnen für ihre Filme sind.
Eine weitere Besonderheit sind die Slam-Vorführungen außerhalb des Programms. Hier werden Filme und Reihen speziell für High-School-Schüler zusammengestellt. Um 9.30 Uhr werden Scharen von Schülern mit den typisch schwarz-gelben Schulbussen zum Festival gebracht, wo sie z.B. Spanish- oder German shortfilms anschauen, um anschließend mit den anwesenden Filmemachern zu diskutieren. Ich hatte das Glück, dass auch mein Film Teil dieser Sondervorstellungen war und empfand einen vollen Kinosaal mit pubertierenden Schülern als den spannendsten, vielleicht auch härtesten Test überhaupt, denn „kids“ zeigen dir deutlich, ob sie etwas mit deinem Film anfangen können oder eben nicht. Nach einer der Vorführungen entführte mich eine Schulklasse in ihrem High-School-Bus zu einem German-Center auf dem Land, wo ich zum Essen eingeladen wurde. Wer hätte gedacht, dass ich in Ohio Sauerkraut essen würde. Mit diesen Slam-Vorführungen kam mein Film auf sechs Screenings in immer vollen Kinosälen.
Die Filmemacher werden vom Hospitality Center sehr gut betreut. Benötigt man beispielsweise einen Fahrer, der einen vom Sauerkrautessen abholen soll, wird es möglich gemacht. Einziger Nachteil: Die auf Festivals in Europa üblichen Filmemacher-Parties gibt es nicht, so dass die anwesenden Filmemacher nur eher zufällig zusammen finden. Das liegt sicher auch daran, dass die amerikanischen Filmemacher meist nur zur Vorstellung ihrer Filme kommen, um dann bereits am nächsten Tag wieder abzureisen. Dennoch ergaben sich einige wertvolle Kontakte zu amerikanischen Produzenten, Filmemachern, Filmmusikern, etc. mit dem Ausblick auf gegenseitige Hilfe bezüglich Vertriebs- oder Produktionsmöglichkeiten in dem jeweils anderen Land.
www.clevelandfilm.org