Guanajuato International Film Festival 2011
Bericht von Anca M. Lazarescu (SILENT RIVER)
Vielleicht liegt es daran, dass meine Reisetasche auf einem der vielen Zwischenstopps (München-Chicago-Houston- Leon/Guanajuato, eine insgesamt 30 Stunden-Reise) verloren gegangen ist und ich drei Tage lang die gleichen Sachen tragen mußte, oder vielleicht daran, dass diese Stadt sehr weitläufig ist und man zu jeder Location mit dem Shuttle oder Taxi durch den Stau eine kleine Ewigkeit braucht – auf jeden Fall fällt mein Bericht zum Guanajuato Filmfestival weniger positiv als erhofft aus.
Das Festival teilt sich in zwei Hälften, das gesamte Programm wird zwei Mal gezeigt. Der erste Teil findet in San Miguel de Allende statt, der zweite in Guanajuato. Ich, wohlgemerkt besuchte nur Guanajuato. San Miguel muß wunderschön sein, ein kleines intimes Städtchen, man sei privat bei reichen Amerikanern untergebracht, mit Margeritas zum Frühstück und vielen neuen Freunden, alles fände am gleichen Ort statt, man sei wie eine große Familie – jeder, der da war, schwärmte davon. Nun ja, vermutlich habe ich den besten Teil des Festivals verpasst. Denn in Guanajuato, einer etwa 145.000 Einwohner Stadt, die aus tausenden, bunten Häuschen, auf vielen Hügeln verteilt und mit einem wunderschönen alten Stadtkern, besteht, war es alles andere als intim. Die vielen Aufführungsorte, zu denen man nie zu Fuß gelangen konnte, waren auf der ganzen Stadt verteilt, der kleine Stadtplan war irreführend und die gesamte Organisation war nicht gerade darauf ausgerichtet, schnell Anschluß zu finden. Es gab keine Teilnehmerlisten, wie man sie sonst von anderen Festivals kennt, es gab keine organisierten Veranstaltungen für Filmemacher. Man traf sich eher zufällig am Frühstückstisch, wenn man das gleiche Hotel teilte. Ich gebe ehrlich zu, dass ich mich von Anfang bis Ende etwas verloren fühlte.
Das Festival zeigt etwa 30 Kurzfilme, seit diesem Jahr auch etwa zehn internationale und zehn nationale Erstlingsfilme, Experimental-, Dokumentar- und Animationsfilme. Alle kandidieren für etliche Preise in ihrer eigenen Kategorie. Die Jurymitglieder sind alle international bekannte Vertreter der Industrie. In meiner Kategorie waren es Alice Kharoubi (Cannes Kurzfilmwettbewerb und Cannes Short Film Corner), Jennifer Chen (Verleih der Oscar-Gewinner in der Kurzfilmkategorie) und Gustavo Garzón (Regisseur).
Mein Film wurde morgens um 10 Uhr als letzter im Kurzfilm-Block vorgeführt, im riesigen Saal des Auditorio etwas außerhalb der Stadt auf einem Hügel. Am Anfang des Blocks waren gerade mal zehn Zuschauer anwesend, während der Aufführung füllte sich der Raum, so dass bei meinem Film etwa 120-150 Zuschauer anwesend waren. Es ist durchaus üblich, dass während der Vorführung ein reges Kommen und Gehen stattfindet, dass Handys klingeln oder dass ganze Familien mit Kleinkindern zu den Screenings kommen. Das kurze Q&A war nett, die Gespräche nach der Vorführung waren jedoch ergiebiger. Es stellte sich heraus, dass mein Film beim mexikanischen Publikum gut ankam, ich erhielt viel Lob.
Parallel zu den Filmvorführungen fanden verschiedene Veranstaltungen und Rahmenprogramme statt. Auf ein besonderes Highlight möchte ich hier aufmerksam machen: das INCUBADOR-Programm. Vor Beginn des Festivals erhielt ich eine Liste mit Professionals aus dem Kurzfilmbereich, mit denen ich 20-minütige Sessions buchen konnte. So kam es, dass ich Hebe Tabchnik traf, eine der Programmerin von Sundance Shorts, Palm Springs Features und L.A. Filmfestival. Ich gab ihr meinen Film und konnte mit ihr über eine USA-Festivalstrategie sprechen, in einem entspannten Rahmen bei Kaffee und Kuchen. Auch traf ich auf Alice Kharoubi aus der Jury, die neben Cannes auch für das Abu Dhabi und Genova Filmfestival sichtet. Darüber hinaus traf ich Linda Olzewski, die einen US-Verleih für Kurzfilme betreibt und die sehr daran interessiert ist, meinen Film in den Staaten an verschiedene TV-Sender zu verkaufen.
Diese Gespräche waren sehr wichtig für mich. Die Professionals unterschieden sich deutlich von der üblichen, eingeschworenen „Familie“, die man sonst auf den großen europäischen Filmfestivals trifft. Sowohl für dieses Projekt, als auch für meine zukünftigen Projekte waren diese Kontakte also sehr wertvoll. Und sie mußten nicht umständlich und mit viel Recherchearbeit auf nächtlichen Parties stattfinden.
Hotelkosten werden übernommen, das Essen muß man selbst zahlen. Jedoch werden bei fast jeder Veranstaltung und auch im Gästezelt vor dem Auditorio Häppchen und Getränke serviert. Die Reisekosten trägt man selbst.
Fazit: Ein großes Festival, das einen nicht gerade an der Hand nimmt, welches jedoch von großer Bedeutung ist, wenn man seinen Film in Nordamerika noch nicht an den Mann gebracht hat. Der Hauptgewinner in der Kurzfilmsparte qualifiziert sich für den Kurzfilm-Oscar.
Vielen Dank AG Kurzfilm und German Films, dass ihr es möglich gemacht habt.