International Short Film Festival Clermont-Ferrand 2012
Bericht von Olaf Held (DAHEIM)
Genau Samstag Morgen um 4:10 Uhr startete ich meine erste Reise zu einem internationalem Filmfestival ausserhalb Deutschlands. Ausgerechnet mein Film mit dem Titel DAHEIM wurde in den Internationalen Wettbewerb des Kurzfilmfestivals Clermont-Ferrand aufgenommen.
Da ich sehr ungern fliege, wählte ich die Anreise mit dem Zug. Leider hat sich in Frankreich seit der Enthauptung des Königs im Bezug auf den Zentralismus nicht viel geändert. Obwohl es von Leipzig aus am Kürzesten wäre, über Lyon nach Clermont-Ferrand zu fahren, muss man leider den Umweg über die Hauptstadt in Kauf nehmen und zusätzlich den Bahnhof innerhalb von Paris wechseln. Da die sogenannte Fremde für mich mehr mit Angst, als mit Neugier verbunden ist, startete ich entsprechend aufgeregt meine Reise. Als der Zug dann kurz vor Mannheim wegen einer defekten Oberleitung zum Stehen kam und mir klar wurde, dass ich meinen Anschlusszug in Paris verpassen werde, sah ich mich ähnlich verloren in der Großstadt, wie der Hauptheld Heiko in meinem Film. Letztendlich erreichte ich Clermont-Ferrand, das Festivalbüro und mein Hotel problemlos. Besonders hervorzuheben, ist die Rundumversorgung, die einem das Festival bietet. Vor allem die Verzehrgutscheine, welche in vielen Restaurants und Bars der Stadt eingelöst werden können, wären allein diese Reise wert (es sei denn, man steckt gerade mitten in einer Diät, dann ist Frankreich kein guter Ausflugsort).
Das Kurzfilmfestival in Clermont-Ferrand gilt als eines der größten seiner Art und es bedarf umfangreicher Arbeit, einen Überblick über die Angebote zu erhalten. Hilfe erhielt ich dabei vor allem im Kurzfilmmarkt am Stand der AG Kurzfilm und von den Vertretern von German Films. Hier hatte man auch die Möglichkeit, andere Filmemacher, Produzenten und Festivals kennenzulernen. Als wichtiger Hinweis: zum Festival sollte man eine große Anzahl von DVD-Kopien seines Films mitbringen. Über ein Postfachsystem im Festivalbüro erhält man täglich Anfragen zur Einreichung seines Films für andere internationale Festivals. Man hat also die Chance, teure Postwege zu umgehen und kann seinen Film direkt hinterlegen. Ich selbst habe die Möglichkeiten, die einem der Kurzfilmmarkt und das Festival als Kontaktbörse bietet, im Vorfeld nicht bedacht und bin praktisch wie ein Frisör in Clermont-Ferrand angekommen. Ohne eine einzige Kopie meines Films. Dementsprechend groß war der Arbeitsumfang in den Tagen nach meiner Rückkehr, in denen ich alle gesammelten Anfragen bearbeiten musste.
Auffällig war für mich der Aspekt, dass das Kurzfilmfestival in Clermont-Ferrand vor allem auch ein Publikumsfestival ist, mit unglaublich großem Besucheransturm. Warteschlangen durch das ganze Festivalgebäude bis vor die Tür, waren keine Seltenheit. Die Veranstaltungssäle haben dabei die Größe europäischer Filmfestivals der Kategorie A. Ein derartig großes Interesse am Kurzfilm habe ich bisher noch nicht erlebt. Ebenfalls positiv empfand ich den Aspekt, dass man in den Programmen auf Interviews mit den Regisseuren verzichtete. Keine Erklärungsversuche über seine Arbeit, keine Chance den ersten Eindruck seines Films durch unsicheres Auftreten oder zum Teil missverständliche Aussagen kaputt zu machen. Dem Publikum war damit die Möglichkeit gegeben, die Filme als solche auf sich wirken zu lassen und eine vom Autor gelöste eigene Meinung zu bilden. Für Publikums- und Pressefragen, gab es gesonderte Veranstaltungen, die ebenfalls sehr gut besucht waren. Hier bestand die Möglichkeit einer intensiveren Auseinandersetzung zwischen Publikum und Filmemacher. Interessant empfand ich die Reaktionen der Interviewpartner auf meinen Film. Im Bezug zum offensichtlich allgemein vorherrschenden Bild des deutschen Films im Ausland, empfand man „Daheim“ als „nicht typisch deutsch“, eher nordeuropäisch mit Anleihen beim französischen Kino. Ich nahm diesen Aspekt interessanterweise als Lob an und werde meine Haltung zum deutschen Film einmal deutlich prüfen müssen.
Unter diesen lehrreichen Eindrücken kann ich die Reise zum Kurzfilmfestival Clermont-Ferrand wärmstens empfehlen. Die Fahrt mit dem Zug aber nur bedingt. Auch die Rückfahrt war von Pannen der Deutschen Bahn AG geprägt. Ankunft „Daheim“ eine Woche später um 0:30 Uhr statt 19:30 Uhr. Aber gegen meine Angst vorm Reisen hat es trotzdem geholfen.