Visions du Réel 2014
Bericht von Jonas Matauschek (LEUNA)
Das Festival VISION DU REEL gehört sicher nicht zu den größten, wohl aber zu den interessantesten und wichtigsten Festivals für den dokumentarischen Film in all seinen Facetten. 1969 aus einem Filmclub gegründet, feierte es in diesem Jahr sein 45 jähriges Bestehen. Große Namen der Filmgeschichte wie: Johan van der Keuken, Robert Frank, Alexander Sokurov und Frederick Wisemann standen hier bereits auf der Gästeliste. Direkt am See zwischen Genf und Lausanne gelegen, bietet es zudem ein interessantes Panorama, auch ausserhalb des Kinosaales.
Wir: Emerson Culurgioni und Jonas Matauschek, waren mit unserem ersten Kurzfilm: LEUNA in der Sektion Premiers Pas eingeladen. Das Projekt entstand im Rahmen der PMMC des Werkleitz-Institutes in Halle. Dieses Programm bietet Filmschaffenden aus der Region Sachsen und Sachsenanhalt die Möglichkeit, an der Schnittstelle zwischen Dokumentarfilm und bildender Kunst, ein kompaktes Filmstudium zu absolvieren.
Da unsere Premiere für den 26.4 angesetzt war, reisten wir direkt am Eröffnungstag an. Nyon ist eine sehr beschauliche, mittelalterliche Stadt und durch die unmittelbare Nähe zu Genf sehr schnell erreichbar. Im Akkreditierungsbüro wurden wir sehr freundlich empfangen und mit allen nötigen Informationen für die kommenden Tage ausgestattet. Die gesamte Atmosphäre war angenehm und man konnte alle Wege bequem zu Fuß zurücklegen. Dadurch war es ein leichtes untereinader ins Gespräch zu kommen. Einzig die Unterkunft lag weit entfernt in einem kleinen Dorf, da die Infrastruktur Nyons mit der großen Anzahl der Gäste während des Festivals überfordert ist. Es wurde jedoch fast stündlich ein Shuttle-Service organisiert und die Pension, ein kleines Schloss, war die weite Reise wert. Leider konnten wir an vielen der wichtigen Veranstaltungen, wie den Pitchings, Workshops und Market-programmen nicht teilnehmen, da diese erst am Ende des Festivals stattfanden. Ich würde anderen Filmemachern daher raten, eher in der zweiten Hälfte des Festivals anzureisen.
Das Film-Programm war wie üblich sehr durchwachsen. Von formalen Höhepunkten wie Thomas Heises “Städtebewohner” bis zu belanglosen, repoduzierbaren Dokumentationen wie Christian Freis “Sleepless in New York”. Einen echten Höhepunkt stellten die beiden Retrospektiven von
Pierre-Yves Vandeweerd und Ross McElwee dar und auch im Länderfocus Tunesien fanden sich einige spannende Beiträge. Sehr erfreut waren wir über die Tatsache, dass auch für den unlängst verstorbenen Filmemacher Peter Liechti, kurzfristig ein screening seines großartigen letzten Films: Vaters Garten organisiert wurde.
Ärgerlicherweise kam es mehrfach vor, dass Filme nur mit französischen Untertiteln gescreent wurden, was in starkem Kontrast zur restlichen, vorbildlichen Organisation stand. Vor allem weil man sich sogar die Mühe machte eine eigene Zeile mit den Untertiteln unter die Leinwand zu projizieren. Sehr dankbar waren wir für die vielen Empfänge, auf denen man mit Essen und Getränken versorgt wurde. Auch gab es ein Tagesgeld, das an der Festival-Bar eingelöst werden konnte. Was vielleicht banal klingen mag, wird angesichts der Schweizer Preise wirklich bedeutsam, vor allem für junge Filmemacher, die aus wirtschaftlich schwächeren Ländern anreisen.
Wirklich positiv war die umfangreiche Gesprächskultur im Anschluss an die Screenings, aber auch täglich im sogenannten Forum, einer offene Fragerunde. Auch wenn sich die Gespräche oft in Details zu den einzelnen Filmen verloren, war es eine hervorragende Möglichkeit andere Filmemacher kennenzulernen. Eine sehr lebhafte Diskussion entstand um die Verwendung von Musik im Dokumentrafilm, nach der beabsichtig provokanten Frage von Emerson: Was hat ein Klavier in der Wüste verloren?
Auch gab es im Rahmenprogramm einige interessante Panels wie: Doc&Art Round Table, in welchem über die zunehmende Migration der Dokumentarfilme in den Kunstkontext und die Folgen dieser Entwicklung debattiert wurde. Da wir selbst, über die künstlerische Fotografie zum Dokumentarfilm gelangt sind, waren viele der Fragen nicht neu, doch brachte vor allem der Kurator des Filmprogramms der Art-Basel: Marc Goede einige interessante Einwände zum Thema.
Was den Schweizern nicht so recht gelingen wollte war eine ausgelassene Party, es gab zwar ausreichend get-togethers und magic-hours mit reichlich Wein, die einen gelungene Auftakt in den Abend, oder vor dem letzten Film darstellten, doch selbst bei der Jubiläumsfeier ging pünktlich um halb drei das Licht aus. Was in einer Kleinstadt wie Nyon, mit nächtlichem Regen und keiner Alternative zu später Stunde, in endlosem Warten auf den ersten Zug Richtung Genf endete.
Unsere eigene Projektion war gut besucht und verlief technisch einwandfrei. Wir erhielten viel Lob und positives Feedback von Seiten der Festival-Leitung und anderen Filmemachern. So hatten wir insgesamt eine sehr intensive, wenn auch zu kurze Zeit in Nyon und würden uns sehr freuen das nächste Mal mit einem längeren Film und mehr Zeit wiederzukommen.
http://www.visionsdureel.ch