Curtas Vila do Conde 2019
Die 27. Ausgabe des CURTAS Vila do Conde Festival fand vom 6. bis 14. Juli 2019 statt. Ich machte mich am 13.07. früh morgens für die letzten beiden Festivaltage inklusive Preisverleihung und Screening unseres Kurzfilmes „Der Besuch“ auf den Weg nach Portugal.
Die Kommunikation mit der Gästebetreuung des Festivals im Vorfeld lief einwandfrei. Nachfragen wurden umgehend beantwortet und ich bekam auch ein pdf mit einer Wegbeschreibung vom Flughafen zum Festival – idiotensicher mit verschiedenen Farben für nicht-ortskundige, nicht-portugiesisch-sprechende Besucher. Vila do Conde liegt ca. 25 km nördlich von Porto. Die Strecke kann man mit einer Art S-Bahn zurücklegen, die mit 2,50€ und einer knappen Stunde Fahrtzeit eine günstige Alternative zum Taxi ist. Besonders schön war darin zu sehen, dass auf den Werbeflächen Werbung für das CURTAS platziert war. Überhaupt hatte das Festival eine gute Sichtbarkeit in der Stadt. Nicht nur in Form von Plakaten und Street Art an Wänden, sondern im speziellen auch in den Schaufenstern der städtischen Läden. Dafür gab es, wie ich einen Tag später erfuhr, bei der Preisverleihung sogar einen eigenen Preis, den „Best Store Front“-Award. Man merkte auf jeden Fall gleich bei der Ankunft, dass die ganze Stadt in das Festival involviert war und die Einwohner Spaß daran hatten, es mit viel Herzblut zu unterstützen.
Der Gästecounter befand sich innerhalb des bereits von außen prachtvoll anmutenden „Teatro Municipal“, das auch gleichzeitig Hauptspielort des CURTAS ist. Dort herrschte hektisches Treiben, aber die Damen waren trotzdem sehr aufmerksam, hilfsbereit und freundlich. Der obligatorische Festival-Jutebeutel beinhaltete neben dem dicken Festivalkatalog auch eine Karte der Stadt, Flyer zu Veranstaltungen, Prospekte und die handliche CURTAS-„Zeitung“. Diese war dank des dünnen Papiers ständiger handlicher Begleiter der Besucher*innen. Vor allem der übersichtliche Spielplan und die weiterführenden Informationen zum Programm waren somit immer griffbereit.
Das filmische Programm des CURTAS wurde sehr vielseitig und hochwertig zusammengestellt. Mainstream und abwegiges Kino gaben sich die Klinke in die Hand. Bezeichnender Weise liefen z.B. am ersten Tag „Toy Story 4“, „Das Cabinet des Dr. Caligari“ mit experimenteller Live-Vertonung und der portugiesische Sieger aus Cannes 2019 „Bacurau“ direkt hintereinander.
Während der neun Tage wurden insgesamt 270 Filme (255 Kurz- und 15 Langfilme) aus aller Welt gezeigt. Es gab sechs Konzerte, eine Ausstellung, sechs Konferenzen / Diskussionsrunden, neun Partys und drei Workshops. Im Teatro Municipal wurden zwei Säle vom Festival bespielt. Der große fasste ca. 400 Personen, der kleinere ca. 150.
Aufgrund der knackigen Länge der Blöcke (ca. 70 Minuten) blieb zwischen den Screenings immer wieder Zeit für Unterhaltungen, einen kurzen Besuch am 400m entfernten Meer oder um essen zu gehen. Das Festival hatte dafür bei der Akkreditierung einen Umschlag mit Vouchern beigelegt. Morgens (im Hotel), mittags und abends war man daher versorgt. Man hatte die Möglichkeit, die datierten Kärtchen in 16 (!) verschiedenen Lokalitäten einzulösen. Eine riesige Auswahl also, die auch wieder für den Rückhalt des Festivals in der Stadt spricht. Für mich, der trotz seines kurzen Aufenthalts mit vielen Menschen in Kontakt treten wollte, fiel die „blinde“ Auswahl aber etwas schwer. Ein zentraler Treffpunkt wäre auch nicht schlecht gewesen. Durch die vielseitigen Alternativen hat sich das Fachpublikum natürlich an viele unterschiedliche Orte zerstreut.
Auf der Party am Abend traten „Montanhas Azuis“ und „Pedro Maia“ im Kinosaal auf. Sehr spannende Kombination aus Videokunst mit (improvisierter) Livemusik. Da die Show aber erst gegen Mittnacht begann, zog es mich dann doch schon vor dem offiziellen Ende ins komfortable Bett des Hotel Brazáo, das selbst im langsamen Gehtempo keine fünf Minuten vom Kino entfernt gelegen ist.
An der Bar versacken wäre ohnehin keine Option gewesen, da der Block, in dem unser Kurzfilm gelaufen ist, am nächsten Tag um 11 Uhr startete. Wir liefen im Wettbewerb „Curtinhas“ – für das jüngere Publikum, das auch zahlreich mit erwachsenem Anhang erschienen war. Eigentlich war es im Vorfeld so abgesprochen, dass ich nach dem Film für ein Q&A bereit sein sollte, doch die Moderatorin holte mich bereits zu Beginn des Blocks auf die Bühne. So sagte ich dann nur ein paar einleitende Worte und bat darum, mich nach dem Screening anzusprechen, was von den Zuschauern auch gut angenommen wurde. Die Resonanz war positiv und es entstanden einige spannende Unterhaltungen.
Nach einem weiteren Kinderfilm-Block im großen Kinosaal waren es noch zweieinhalb Stunden bis zur Preisverleihung. Zeit für ein Mittagessen und einen Besuch in der „Galeria Solar“. Dort gab es die Kollektivausstellung „O Caso Caligari“ vierer Künstler zu sehen, die sich zum 100-lährigen Jubiläum über Installationen und Videoessays mit der Produktions- und Rezeptionsgeschichte dieses Meilensteins der Filmgeschichte beschäftigt haben.
Die Verleihung bildete den Schlusspunkt des Festivals. Dabei wurde, wie schon im Nationalen Wettbewerb, auf eine Übersetzung ins Englische verzichtet. Da konnten zwei Stunden schon mal lang werden. Wie der Zufall so wollte, saß ich direkt neben Maria Teixeira, die im „Take One“-Wettbewerb mit ihrem Film „Inside Me“ den Preis als Beste Regisseurin gewann. Als Studentin der Filmuni Babelsberg fiel uns das netzwerken im Anschluss natürlich leicht.
Das CURTAS Festival in Vila do Conde ist in jedem Fall eine Reise wert. Für mich waren es effektiv nur anderthalb Tage und ich konnte trotzdem viel mitnehmen. Mit mehr Zeit hätte man alles noch mehr genießen und entdecken können. Und zu entdecken gab es definitiv genug. Das Programm ist vielschichtig und abwechslungsreich und die kleine Stadt empfängt ihre Besucher aus aller Welt mit offenen Armen.