Curtas Vila do Conde 2013
Bericht von Valentin Gagarin (REVERIE)
Das seit 1993 stattfindende Curtas im portugiesischen Vila do Conde zählt in vielen Hinsichten zu Recht zu den wichtigen europäischen Filmfestivals. Die 21. Ausgabe im Juli 2013 wartete mit gleich mehreren Wettbewerben und nicht-kompetitiven Sektionen auf. Unter anderem wurden 34 Kurzfilme im internationalen und 17 im portugiesischen Wettbewerb gezeigt. Dazu gab es den Kinderfilmwettbewerb Curtinhas mit zahlreichen Animationen, eine Dokumentarfilmkategorie ohne Wettbewerb, das europäische Panorama, „Short Matters!“ mit Preisträgern des European Film Awards 2012, eine Auswahl portugiesischer Hochschulfilme sowie unter der Rubrik „da curta à longa“ mittellange Filme früherer Teilnehmer des Wettbewerbs. Insgesamt gab es in neun Tagen mehr als 100 Arbeiten in zumeist parallelen Aufführungen zu sehen. Zu Beginn des Events gab es außerdem zum 17. Mal den „Videorun Restart“, in dem Filmemacherteams, ähnlich wie beim Kinokabaret, innerhalb von 48 Stunden um die Wette Kurzfilme schreiben, drehen und schneiden sollten. Eine einmalig stattfindende, neunzigminütige Animationsfilm-Masterclass mit Georges Schwizgebel war darüber hinaus die einzige Möglichkeit zur aktiven Teilnahme. Das Programm wurde ergänzt von historischen Langfilmen, Musikperformances und der Kunstausstellung „Film“ in der naheliegenden Galerie Solar, u.A. mit Werken vom diesjährigen Ehrengast und Experimentalfilmer Bill Morrison. Nachts gab es Filmemacherpartys.
Am Ende wurden 12 Preise vergeben, darunter Geldpreise im Gesamtwert von 6.500 €, Sachpreise etwa in Höhe von 5.000 € sowie eine Nominierung zu den European Film Awards und ein Ankauf von Senderechten durch Canal+.
Insgesamt ist das Festival hauptsächlich portugiesisch orientiert und schon traditionell vor allem dem Experimentalfilm gewogen. Beides zeigt nicht nur die Programmzusammenstellung und die Proportion der Preiskategorien und -dotierungen, sondern auch die von der entsprechend besetzten Fachjury ausgezeichneten Filme. Nur als Beispiel: Der Preis für den besten internationalen Film ging an einen portugiesisch-italienischen Experimentalfilm. Das Publikum hingegen wählte deutlich konventionelle Arbeiten zu ihren beiden Lieblingen. Die gut besuchte Kinderfilmsektion ist das zweite große Standbein des Festivals.
Unser Aufenthalt als dreiköpfiges Regieteam des Zeichentrickfilms „Reverie“ begann am Flughafen Porto, von dem aus wir für nur 1,95 Euro pro Person mit der Metro ins etwa 30 km entfernte Vila do Conde fuhren. In den sehr neuen Zügen liefen auf den Displays zwei vergleichsweise hochwertige Werbeclips für das Festival und auf dem Weg durch den kleinen, etwas verschlafenen Ort gab es immer wieder große Plakate zu sehen. Im Teatro Municipal war auch am Nachmittag schon viel los und uns fiel vor allem die ausgezeichnete Organisation auf, welche keine Wünsche übrig ließ. Das Festival stellte unentgeltlich ein Doppelzimmer für drei Nächte zur Verfügung und für jeden von uns sechs Essensmarken für teilnehmende Restaurants und Cafés. Beides erwies sich schnell als außerordentlich großzügige Geste, denn die Mahlzeiten in den sympathischen Familienlokalen waren hervorragend und wir hatten das Glück, im Vier-Sterne-Hotel „Estalagem do Brazão“ untergebracht zu werden, wo auch die zusätzlichen Nächte mit 40 bzw. 60 Euro dank Festivalrabatt absolut bezahlbar waren. Die Gästetasche beinhaltete neben drei portugiesischen Werbemagazinen und einem Mini-Kopfhörerset als Gastgeschenk eine solide strukturierte, wenn auch rein portugiesische, Programmzeitung mit Stadtplan, Programmblöcken und weiteren Festivaldaten, einen dicken Gesamtkatalog und – sehr interessant – ein Gästeheft mit Namen, Filmen und Aufenthaltsdaten.
Jeder hatte außerdem im Gästebüro ein Fach, um Nachrichten und Material zu hinterlegen oder zu empfangen. Im Kino gab es außerdem eine Fotowand mit allen Festivalteilnehmern, Plakatwände sowie reichlich Platz für Flyer und anderes Werbematerial.
Alles in allem war der Eindruck aber eher wechselhaft. Das wesentliche Problem bestand in der sprachlichen Barriere. Die zumeist freiwilligen Helfer des Festivals, die Hotelmitarbeiter und natürlich die aus Europa angereisten Filmemacher konnten sehr gutes Englisch, leider aber sonst kaum jemand im Ort.Wer kein Portugiesisch kann, dem helfen dort definitiv ein Wörterbuch, Spanisch- oder Französischkenntnisse (viele konnten Französisch) für die grundlegende Kommunikation.
Obwohl auf dem Papier etwa hundert internationale Besucher, insbesondere Festival- und Pressevertreter, anwesend waren, hörte man eigentlich kaum ein Wort Englisch und entsprechend schwierig war es, Kontakte zu knüpfen. Insgesamt wirkten einige Gruppen sehr wie verschworene Kreise, die sich schon lange kennen und regelmäßige Gäste sind. Das mag sich auf den nächtlichen Partys anders geäußert haben.
Auf der anderen Seite war die Nachfrage nach ausgelegten Flyern geradezu enorm. Allgemein war jede Form von Werbung schnell vergriffen und musste aufgefüllt werden. Im Foyer liefen auf Displays Filmausschnitte und Trailer, aktuelle Reportagen des umherschwirrenden Kamerateams und sogar das aktuelle Auszählungsergebnis des Publikumspreises.
Vor Eintritt zu den Screenings mussten sich alle spätestens fünf Minuten vor der jeweiligen Vorstellung ein Ticket an der Kasse holen, was eine flexible Tagesgestaltung eher erschwerte, da man nicht spontan vorbeikommen und zwischen zwei Filmen ins Kino spazieren konnte. Immerhin konnte man verpasste Aufführungen in DVD-Qualität in einem der zehn Cubicles des Marktes nachholen, der wiederum sehr gut sortiert war und wo man außerhalb der Stoßzeiten auch einen freien Platz fand. Nach 22 Uhr war der schicke, holzgetäfelte Saal mit geschätzten 400 Plätzen, stets gefüllt, die Projektionsqualität bei entsprechendem Material sehr gut – es gab aber auch Filme von DVD. Etwa die Hälfte der Zuschauer dürften Besucher gewesen sein, die andere akkreditierte Festivalgäste. In Gesprächen fanden wir allerdings heraus, dass an den sonnigen Tagen nachmittags kaum jemand gekommen ist. Das wundert auch nicht, denn der Strand ist, wie alles andere auch, nur etwa zehn Minuten Fußweg entfernt. Bei unserer eigenen Vorstellung um 17 Uhr war entsprechend nur etwa der halbe Saal voll, bei diesigem und mäßig warmem Wetter, dafür dann mit umso interessierteren Zuschauern.
Sehr seltsam war das eigentlich nicht vorhandene Filmgespräch. Vor dem Block kamen, nachdem wir den Moderator angesprochen hatten, dass wir überhaupt anwesend sind, die Filmemacher nach vorne. Da es keinerlei Absprache gab, hat man sich nur kurz auf Englisch vorgestellt und gesagt, welcher Film der eigene ist. Anmoderiert wurde ansonsten stets auf Portugiesisch. Im Anschluss (Pausen zwischen den Filmen waren nicht) gab es kein Gespräch und keine Fragen. Das ist, auch mit Blick auf den gesamten Organisationsaufwand, besonders deshalb ärgerlich, weil wir im Vorfeld ausdrücklich mit der Bitte eingeladen wurden, unseren Film persönlich vorzustellen. Podien mit Filmemachern, allerdings nur mit ausgewählten Einheimischen, waren jeden Nachmittag für eine halbe Stunde hingegen fester Programmbestandteil.
Die anderthalbstündige Preisverleihung zum Schluss, mit den obligatorischen Reden der Organisatoren und Lokalpolitiker, wurde komplett in Portugiesisch abgehalten. Immerhin wurden einige vorbereitete Jurybegründungen übersetzt auf die Leinwand projiziert.
Rein technisch und organisatorisch war das umfangreiche Festival brillant inszeniert und hebt sich damit deutlich ab. Es hat offensichtlich große Reichweite und maßgeblichen Publikumsandrang. Der starke Fokus auf Portugal ist in jeder Hinsicht verständlich und die Bemühungen der Organisation und ihrer Partner, regionale Filmemacher zu fördern und zu vernetzen, sind weithin sichtbar. Der internationale Aspekt erschöpft sich zum Großteil im Experimental- und Kinderfilm und deren Macher und Liebhaber sind in Vila do Conde sicherlich gut aufgehoben. Unsere mitgebrachte Arbeit „Reverie“ passt in keine dieser Kategorien, insofern war für uns kommunikativ leider wenig zu holen. Dafür war der Aufenthalt sehr ruhig und angenehm und die Verpflegung großartig. Ein Ausflug nach Porto, den wir wegen des späten Rückflugs eingelegt haben, ist absolut empfehlenswert.