International Student Film Festival 2010
Bericht von Philipp Döring (AM ANDEREN ENDE)
Dass das "International Student Film Festival" in Tel Aviv ein besonderes Festival ist, zeigt schon die Tatsache, dass als prominentester Gast Roger Corman eingeladen wurde: Corman, der inzwischen 89-jährige Vater des amerikanischen B-Movies, erzählte Anekdoten aus seinem langen Filmleben und präsentierte in mehreren Mitternachtsspecials einige Filme, die er gedreht oder produziert hatte, darunter solche Exoten wie DEMENTIA 13 von Francis Ford Coppola.
Im Unterschied zu den meisten anderen Festivals werden in Tel Aviv nicht direkt Filme, sondern Schulen eingeladen – im Jahr 2010 waren es 80 Filmschulen aus 40 Ländern aus der ganzen Welt. Da mir schon mehrere Filmemacher von diesem Festival vorgeschwärmt hatten, habe ich mich sehr gefreut, dass die Filmakademie Ludwigsburg meinen Diplomfilm AM ANDEREN ENDE zusammen mit zwei anderen Filmen nach Tel Aviv schickte.
Die besondere Auswahlprozedur bewirkt, dass man nicht nur besonders viele Filme, sondern auch ein besonders großes Spektrum zu sehen bekommt. Noch bei keinem Festival habe ich so unterschiedliche Filme, aber auch noch selten so große Qualitätsunterschiede, gesehen wie hier. Die große Anzahl an Filmen führt leider auch dazu, dass jeder Film zunächst nur ein einziges Mal gezeigt wird; dann gibt es noch mal eine Finalrunde, aus der die neunköpfige (!) Jury schließlich die Gewinner auswählt. Den Siegerfilm habe ich leider verpasst, aber die besondere Erwähnung für den holländischen BINGO und der Preis für den besten experimentellen Film für den indischen GERM waren gut gewählt, gerade der letztere war der interessanteste Film, den ich auf dem Festival gesehen habe.
Ein bisschen schade war, dass über die Filme kaum gesprochen wurde, wobei man das ja von vielen Festivals kennt. Die Filmemacher wurden zu Beginn des Programms vorgestellt und mussten kurz aufstehen, aber niemand kam vor oder nach seinem Film auf die Bühne. Nicht ganz verständlich, da doch viele Regisseure anwesend waren und ihren Film bestimmt gerne präsentiert hätten.
Daneben gab es noch eine Reihe Workshops, hauptsächlich von Mitgliedern der Jury, die aber meist eher erweiterte Fragerunden waren; für mich der interessanteste davon war der Workshop mit Kornél Mundruczó, der von seiner Arbeit mit Laienschauspielern erzählte.
Das "wirkliche" Nebenprogramm findet in Tel Aviv sowieso aber erst abends statt. Tel Aviv ist wohl zurzeit eine der beliebtesten Partystädte der Welt; jeden Abend gab es zwei oder drei ausgewählte Clubs, zu denen Festivalveranstalter und Filmemacher gemeinsam hinpilgerten. Die Bandbreite reichte von der noblen Terrasse des Carlton Hotel bis zum Underground-Club, bei dem man an der Tür klingeln muss, um hineinzukommen. Häufig waren auch die "hosts" der Filmemacher dabei.
Diese Atmosphäre war auch das besondere an diesem Festival. Da alle noch Studenten und die meisten Regisseure über die ganze Woche in Tel Aviv sind und nicht wie sonst häufig schon nach zwei Tagen wieder nach Hause fahren, lernt man sich gut kennen und es entsteht ein bisschen Klassenfahrtsstimmung, was ich persönlich sehr genossen habe. Alles ist viel weniger anonym als sonst auf Festivals und überhaupt ist das ganze auf Gemeinschaft ausgerichtet. Mir war es allemal lieber, bei jemandem vom Festival auf der Couch zu schlafen, als im anonymen Hotelzimmer zu sitzen, und so ging es wohl auch den meisten anderen.
Dass eine Woche Tel Aviv auch Meer und Strand satt bedeutet, muss man wohl kaum extra erwähnen. Die Hotelketten entlang dem langen Sandstrand sind zwar an Hässlichkeit kaum zu überbieten, aber traumhafte 30 bis 35 Grad und der breite Sandstrand könnten aus dem Bilderbuch stammen.
Schließlich stand neben dem Film- und Partyprogramm noch ein Ausflug nach Jerusalem und an das Tote Meer auf dem Programm, zu dem nicht weniger als 80 Filmemacher mitfuhren. In Jerusalem waren wir neben dem Standardprogramm von Klagemauer und Grabeskirche auch noch in der Cinematheque, in der überall an Ständen Schuhe verkauft werden, wo uns ein kurzer Film mit Stummfilmauszügen aus dem Archiv gezeigt wurde. Das ganze wurde präsentiert von der beeindruckenden Lia van Leer, der Grand Dame des israelischen Films; inzwischen weit über 70, hat sie die Cinematheque selbst gegründet und aufgebaut, saß schon bei allen wichtigen Festivals der Welt in der Jury und ist in Israel schlechthin eine Institution.
Für mich war das Festival eines der schönsten, zu dem ich bisher gefahren bin, und würde auf jeden Fall gerne wiederkommen!
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