Aubagne International Film Festival 2011
21.-26.03.2011
Bericht von Jan Bolender (WEITER LAUFEN)
Voller Begeisterung finde ich Anfang des Jahres eine Nachricht in meinem Postfach, dass mein Zweitsemesterfilm der Hamburg Media School WEITER LAUFEN für den Kurzfilmwettbewerb des Festival international du film d’Aubagne ausgewählt worden ist. Das Festival ist mir noch in guter Erinnerung, da ich letztes Jahr meine Regiekollegin Lena Liberta mit ihrem Film STILLER SEE dorthin begleitet hatte. Und nachdem German Films sich netterweise bereit erklärt, mich in den Reisekosten zu unterstützen, steht der Vorfreude rein gar nichts mehr im Weg. Wochenlang checke ich in banger Hoffnung auf einen verfrühten Frühlingsgenuss die Wetterprognosen für Südfrankreich – und lese zu meinem Erschrecken von Nachttemperaturen um den Gefrierpunkt. Als ich jedoch am 21. März, einem späten Mittwochnachmittag, aus dem Flugzeug steige, begrüßt mich der Flughafen Marseille Provence tatsächlich mit aus Berliner Sicht sommerlich warmem Sonnenschein. Meine Freude währt jedoch nur so lange, bis ich mich nach diversen Telefonaten mit dem Festivalbüro der Tatsache stellen muss, dass man meine Ankunft erst morgen erwartet hat – Obwohl mein Film doch in weniger als zwei Stunden gescreent werden soll!? Und so bahne ich mir wenig später auf eigene Faust – sprich: erst mit dem Shuttlebus, dann per Zug – den Weg in die etwa 40 Kilometer entfernte Kleinstadt Aubagne. So ganz unrecht ist mir das jedoch nicht, habe ich doch somit inmitten des alltäglichen Feierabendverkehrs ein wenig mehr das Gefühl, hier dazu zu gehören. Vom Bahnhof werde ich dann netterweise von der deutschen Festivalmitarbeiterin Isabel abgeholt – und zum zwei Gehminuten entfernten Cinéma Pagnol, dem Hauptveranstaltungsort, begleitet. Ich komme zwar pünktlich zum Start des Kurzfilmblocks aber gerade zu spät, um in den Genuss der Vorstellung durch die Moderatorin zu kommen. Somit kann ich immerhin als vollkommen anonymer Zuschauer die abwechslungsreichen und kurzweiligen Filme genießen. Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir der französische Streifen AGLAEE, der mit einfachen, angemessenen Mitteln und tollen Jungschauspielern sehr souverän die schwierige Annäherung zwischen einem genauso arroganten wie unsicheren Jungen und einer körperlich behinderten aber äußerst selbstbewussten Klassenkameradin inszeniert. Auf eine ganz andere Art und Weise beeindruckend: L'ALFAMA aus Portugal, der in vor Hitze und Leidenschaft flirrenden Schwarzweißbildern von dem Dilemma einer Frau erzählt, die in einem Hochgeschwindigkeitszug zwischen ihrem sonnenbebrillten Liebhaber im einen und Ehemann und Kind im anderen Waggon hin und her hetzen muss um die Illusion aufrecht zu erhalten, für jeden der heißblütigen Männer die Einzige zu sein. Nach den Filmen dann aber der nächste kleine Dämpfer: mein Hotel liegt kilometerweit außerhalb im Industriegebiet und nach acht fährt kein Bus mehr. Gegen ein Uhr nachts erbarmt sich schließlich einer der etwas mürrischen Chauffeure, die Schlafenswilligen einzusammeln und ins Hotel zu bringen. Am nächsten Tag steht der Umzug in ein anderes Hotel auf dem Programm und ich freue mich darauf, endlich unabhängig zu sein von der Laune der zugegebenermaßen arg strapazierten Fahrer – dieses Jahr sind scheinbar einige Gäste mehr vor Ort. Doch die Freude währt nur kurz: der Schuppen liegt noch weiter draußen, das ist nicht mal mehr Aubagne. Immerhin ist die Gegend pittoresk, am Straßenrand schlängelt sich ein naturbelassenes Flüsschen und neben der Bushaltestelle lädt ein Café zur Verkürzung der Wartezeit inmitten Pastis trinkender Vorstadtarbeiter ein. Mittlerweile ist auch der Komponist meines Films, Jonas Gervink, angereist und begleitet mich in den für uns ersten Langfilm des Festivals: ROBERT MITCHUM EST MORT. Nach dem Film, moi je suis presque mort aussi – das ist leider mit das Ermüdenste, was ich seit langem gesehen habe: ein erfolgloser Schauspieler wird von seinem hyperaktiven Agenten auf ein Filmfestival nördlich des Polarkreises geschleift, um dort einen bekannten amerikanischen Produzenten kennen zu lernen. Dazu hat er aber erstens keine Lust und zweitens hat er auch nicht mehr drauf, als eine Szene aus einem Film mit Robert Mitchum ganz ordentlich nachzuspielen. Der wesentlich interessantere Charakter des Managers bleibt in seinen verqueren Zielen leider sehr undurchsichtig und irgendwann hört der Film dann einfach auf, als beide im Nirvana einer nordischen Steppe getrennte Wege gehen. Puh. Darauf erst mal ein paar Rotwein im Café des Arts, das direkt neben dem Kino dazu einlädt, die von den Veranstaltern großzügig zur Verfügung gestellten Genussgutscheine in französisches Lebensgefühl umzusetzen. Der Kurzfilmblock am nächsten Tag kann das Niveau des ersten leider nicht ganz halten – insgesamt muss ich jedoch sagen, dass dieses Festival nach meinem Geschmack und meiner Erfahrung eines der spannendsten Kurzfilmprogramme zu bieten hat. Nach gemütlichem Mittagessen in der warmen Frühlingssonne und netten Gesprächen mit anderen Filmemachern abends dann leider die nächste Langfilm-Enttäuschung: BALLE PERDUE. In endlosen, leicht theatralischen Dialogen dürfen wir an der tragischen Geschichte einer Libanesin im Jahre 1976 teilhaben, die ihre Liebe nicht leben darf. Ein großer Lichtblick in diesem Film jedoch die tolle Musik, die mehr wagt als Regie und Kamera. Am vorletzten Abend dann einer der Höhepunkte des Festivals: im örtlichen Theater gibt das Orchester der in Aubagne stationierten Fremdenlegion einige Klassiker französischer Filmmusik zum Besten – die halbe Stadt scheint anwesend zu sein und spendet begeistert Applaus. Der einzige Deutsche im Ensemble trägt leider eine recht gewöhnungsbedürftige Brille – was uns in dem Moment, als der Dirigent nacheinander die verschiedenen Herkunftsländer seiner Musiker nennt, angesichts der ganzen feschen Russen und Südamerikaner etwas in unserem Nationalstolz verletzt. Eine bessere Figur machen am nächsten Abend Regisseur und Komponist des deutschen Langfilmbeitrags DER MANN, DER ÜBER AUTOS SPRANG, als sie auf der Bühne sowohl den Preis für den besten Film als auch den für die beste Musik entgegen nehmen. Später am Abend sorgt die tolle musikalische Darbietung einer Art kleinen Gypsie-Kapelle im allabendlichen Veranstaltungsort Bras d’Or für ausgelassene Stimmung und rundet die zwölfte Ausgabe eines Festivals ab, das ich hiermit vollkommen subjektiv und voreingenommen einfach mal zum schönsten unseres Planeten erkläre. Nach drei Stunden Schlaf machte ich mich mit zwei weinenden Augen dann auf den Heimweg – scheiterte jedoch fast (ein durchaus reizvoller Gedanke), da der Fahrer des stündlichen Stadtbusses gestern offensichtlich nicht gelesen hat, was so schön an seiner eigenen Fensterscheibe klebte: „... une heure moins de someil mais une heure plus de soleil!“ und einfach mal nicht kommt. Nach vollkommen erfolglosen Anhalter-Versuchen sammelt mich dann ganz zufällig ein Festival-Shuttle ein und ich muss doch noch das Flugzeug Richtung Allemagne besteigen. Naja, da bleibt wohl nur zu sagen: à bientôt!
www.cineaubagne.fr
Voller Begeisterung finde ich Anfang des Jahres eine Nachricht in meinem Postfach, dass mein Zweitsemesterfilm der Hamburg Media School WEITER LAUFEN für den Kurzfilmwettbewerb des Festival international du film d’Aubagne ausgewählt worden ist. Das Festival ist mir noch in guter Erinnerung, da ich letztes Jahr meine Regiekollegin Lena Liberta mit ihrem Film STILLER SEE dorthin begleitet hatte. Und nachdem German Films sich netterweise bereit erklärt, mich in den Reisekosten zu unterstützen, steht der Vorfreude rein gar nichts mehr im Weg. Wochenlang checke ich in banger Hoffnung auf einen verfrühten Frühlingsgenuss die Wetterprognosen für Südfrankreich – und lese zu meinem Erschrecken von Nachttemperaturen um den Gefrierpunkt. Als ich jedoch am 21. März, einem späten Mittwochnachmittag, aus dem Flugzeug steige, begrüßt mich der Flughafen Marseille Provence tatsächlich mit aus Berliner Sicht sommerlich warmem Sonnenschein. Meine Freude währt jedoch nur so lange, bis ich mich nach diversen Telefonaten mit dem Festivalbüro der Tatsache stellen muss, dass man meine Ankunft erst morgen erwartet hat – Obwohl mein Film doch in weniger als zwei Stunden gescreent werden soll!? Und so bahne ich mir wenig später auf eigene Faust – sprich: erst mit dem Shuttlebus, dann per Zug – den Weg in die etwa 40 Kilometer entfernte Kleinstadt Aubagne. So ganz unrecht ist mir das jedoch nicht, habe ich doch somit inmitten des alltäglichen Feierabendverkehrs ein wenig mehr das Gefühl, hier dazu zu gehören. Vom Bahnhof werde ich dann netterweise von der deutschen Festivalmitarbeiterin Isabel abgeholt – und zum zwei Gehminuten entfernten Cinéma Pagnol, dem Hauptveranstaltungsort, begleitet. Ich komme zwar pünktlich zum Start des Kurzfilmblocks aber gerade zu spät, um in den Genuss der Vorstellung durch die Moderatorin zu kommen. Somit kann ich immerhin als vollkommen anonymer Zuschauer die abwechslungsreichen und kurzweiligen Filme genießen. Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir der französische Streifen AGLAEE, der mit einfachen, angemessenen Mitteln und tollen Jungschauspielern sehr souverän die schwierige Annäherung zwischen einem genauso arroganten wie unsicheren Jungen und einer körperlich behinderten aber äußerst selbstbewussten Klassenkameradin inszeniert. Auf eine ganz andere Art und Weise beeindruckend: L'ALFAMA aus Portugal, der in vor Hitze und Leidenschaft flirrenden Schwarzweißbildern von dem Dilemma einer Frau erzählt, die in einem Hochgeschwindigkeitszug zwischen ihrem sonnenbebrillten Liebhaber im einen und Ehemann und Kind im anderen Waggon hin und her hetzen muss um die Illusion aufrecht zu erhalten, für jeden der heißblütigen Männer die Einzige zu sein. Nach den Filmen dann aber der nächste kleine Dämpfer: mein Hotel liegt kilometerweit außerhalb im Industriegebiet und nach acht fährt kein Bus mehr. Gegen ein Uhr nachts erbarmt sich schließlich einer der etwas mürrischen Chauffeure, die Schlafenswilligen einzusammeln und ins Hotel zu bringen. Am nächsten Tag steht der Umzug in ein anderes Hotel auf dem Programm und ich freue mich darauf, endlich unabhängig zu sein von der Laune der zugegebenermaßen arg strapazierten Fahrer – dieses Jahr sind scheinbar einige Gäste mehr vor Ort. Doch die Freude währt nur kurz: der Schuppen liegt noch weiter draußen, das ist nicht mal mehr Aubagne. Immerhin ist die Gegend pittoresk, am Straßenrand schlängelt sich ein naturbelassenes Flüsschen und neben der Bushaltestelle lädt ein Café zur Verkürzung der Wartezeit inmitten Pastis trinkender Vorstadtarbeiter ein. Mittlerweile ist auch der Komponist meines Films, Jonas Gervink, angereist und begleitet mich in den für uns ersten Langfilm des Festivals: ROBERT MITCHUM EST MORT. Nach dem Film, moi je suis presque mort aussi – das ist leider mit das Ermüdenste, was ich seit langem gesehen habe: ein erfolgloser Schauspieler wird von seinem hyperaktiven Agenten auf ein Filmfestival nördlich des Polarkreises geschleift, um dort einen bekannten amerikanischen Produzenten kennen zu lernen. Dazu hat er aber erstens keine Lust und zweitens hat er auch nicht mehr drauf, als eine Szene aus einem Film mit Robert Mitchum ganz ordentlich nachzuspielen. Der wesentlich interessantere Charakter des Managers bleibt in seinen verqueren Zielen leider sehr undurchsichtig und irgendwann hört der Film dann einfach auf, als beide im Nirvana einer nordischen Steppe getrennte Wege gehen. Puh. Darauf erst mal ein paar Rotwein im Café des Arts, das direkt neben dem Kino dazu einlädt, die von den Veranstaltern großzügig zur Verfügung gestellten Genussgutscheine in französisches Lebensgefühl umzusetzen. Der Kurzfilmblock am nächsten Tag kann das Niveau des ersten leider nicht ganz halten – insgesamt muss ich jedoch sagen, dass dieses Festival nach meinem Geschmack und meiner Erfahrung eines der spannendsten Kurzfilmprogramme zu bieten hat. Nach gemütlichem Mittagessen in der warmen Frühlingssonne und netten Gesprächen mit anderen Filmemachern abends dann leider die nächste Langfilm-Enttäuschung: BALLE PERDUE. In endlosen, leicht theatralischen Dialogen dürfen wir an der tragischen Geschichte einer Libanesin im Jahre 1976 teilhaben, die ihre Liebe nicht leben darf. Ein großer Lichtblick in diesem Film jedoch die tolle Musik, die mehr wagt als Regie und Kamera. Am vorletzten Abend dann einer der Höhepunkte des Festivals: im örtlichen Theater gibt das Orchester der in Aubagne stationierten Fremdenlegion einige Klassiker französischer Filmmusik zum Besten – die halbe Stadt scheint anwesend zu sein und spendet begeistert Applaus. Der einzige Deutsche im Ensemble trägt leider eine recht gewöhnungsbedürftige Brille – was uns in dem Moment, als der Dirigent nacheinander die verschiedenen Herkunftsländer seiner Musiker nennt, angesichts der ganzen feschen Russen und Südamerikaner etwas in unserem Nationalstolz verletzt. Eine bessere Figur machen am nächsten Abend Regisseur und Komponist des deutschen Langfilmbeitrags DER MANN, DER ÜBER AUTOS SPRANG, als sie auf der Bühne sowohl den Preis für den besten Film als auch den für die beste Musik entgegen nehmen. Später am Abend sorgt die tolle musikalische Darbietung einer Art kleinen Gypsie-Kapelle im allabendlichen Veranstaltungsort Bras d’Or für ausgelassene Stimmung und rundet die zwölfte Ausgabe eines Festivals ab, das ich hiermit vollkommen subjektiv und voreingenommen einfach mal zum schönsten unseres Planeten erkläre. Nach drei Stunden Schlaf machte ich mich mit zwei weinenden Augen dann auf den Heimweg – scheiterte jedoch fast (ein durchaus reizvoller Gedanke), da der Fahrer des stündlichen Stadtbusses gestern offensichtlich nicht gelesen hat, was so schön an seiner eigenen Fensterscheibe klebte: „... une heure moins de someil mais une heure plus de soleil!“ und einfach mal nicht kommt. Nach vollkommen erfolglosen Anhalter-Versuchen sammelt mich dann ganz zufällig ein Festival-Shuttle ein und ich muss doch noch das Flugzeug Richtung Allemagne besteigen. Naja, da bleibt wohl nur zu sagen: à bientôt!
www.cineaubagne.fr