13.06.2022

„Cannes – muss aber nicht“ gilt nicht mehr!

Das Festival de Cannes ist auf den ersten Blick eher für Stars, besondere Langfilme und Glamour bekannt. Doch auch der Kurzfilm hat seinen Platz über die Jahre erkämpft und auch wir sind seit 2004 jedes Jahr vor Ort und schaffen einen Treffpunkt für die Kurzfilmszene.

„Cannes – muss aber nicht.“ Dieses Zitat prägte Astrid Kühl, damals Geschäftsführerin der Kurzfilm Agentur Hamburg, nach einem Besuch des Festivals de Cannes 2005 resigniert. Denn vieles deutete darauf hin, dass der glamouröse rote Teppich, die großen Namen und das exzessive Marketing für die langen Filme den (deutschen) Kurzfilm zu erdrücken drohten.

17 Jahre später stehen wir wieder auf der Croisette, inmitten der Schönen und Reichen, Wichtigen und Geschäftigen – umgeben von Strandbars, Yachten, Limousinen und leuchtender Reklame entlang der pompösen Hotelfronten und fragen uns: Warum sind wir noch mal hier? Fakt ist: Das Fachangebot der Short Film Corner hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dadurch schlagen auch in Cannes immer mehr „Decision Makers“ des Kurzfilms auf. Und regelmäßig werden deutsche Kurzfilmproduktionen für das offizielle Programm des Festivals ausgewählt.

Aber machen wir noch einmal einen Sprung zurück zum Beginn des Jahrtausends: Was war denn der Anlass, den deutschen Kurzfilm im Jahr 2004 erstmalig nach Cannes zu bringen?

Nachdem 2003 die Short Film Corner als Teil des Marché du Film gestartet war, durfte der deutsche Kurzfilm nicht fehlen. In den folgenden beiden Jahren wurden in Zusammenarbeit mit German Films und der Kurzfilm Agentur Hamburg vor Ort Möglichkeiten der Präsenz des deutschen Kurzfilms ausgelotet. So gab es neben der Premiere des Programms „Next Generation“ von German Films in den ersten Jahren auch ein nicht sehr gut besuchtes Marktscreening, in dem aktuelle deutsche Kurzfilme vorgestellt wurden. Seither sind stattdessen jährlich aktuelle deutsche Produktionen auf den Sichtungsplätzen der Short Film Corner vertreten. Und mit den Kurzfilmen begannen auch wir zum Festival zu reisen…

Mit Unterstützung der BMW Group konnten ab 2006 finanziell größere Geschütze aufgefahren werden – eine Sichtungs-DVD für kurzfilmaffine Branchenvertreter*innen wurde erstellt und die erste Short Film Lounge auf dem Arte-Boot fand statt. Letztere hat sich mittlerweile zu einem festen Treffpunkt der Kurzfilmbranche in Cannes etabliert und bringt das Arte-Boot – inzwischen auch ohne die BMW Group – regelmäßig an die Kapazitätsgrenzen. Untergegangen sind wir mit Arte aber noch nie und der große Andrang gibt uns und dem Kurzfilm dann doch einen Platz im großen Haifischbecken Cannes.

Aber nicht nur die Short Film Lounge schafft diesen Platz: 2022 feierten drei deutsche Kurzfilme ihre Premiere in der Quinzaine des Réalisateurs. Inklusive der NEXT GENERATION SHORT TIGER Auswahl von German Films präsentierten wir 37 aktuelle deutsche Filme im Onlinekatalog der Short Film Corner. Letztere kommt jetzt übrigens ohne physische Sichtungsplätze aus und ein Laufwerk für unsere Sichtungs-DVDs hat auch kaum noch jemand. Dafür verbreiten wir die Neuigkeiten von unserem eigenen Onlinekatalog mit Sichtungsmöglichkeit. Die Filmteams der NEXT GENERATION SHORT TIGER zeigen jährlich ihre Werke einem euphorischen Fachpublikum und versuchen – genau wie wir – ihren Platz zu finden. Dabei hilft auch die ans Screening angeschlossene Party. Diese ist ein nämlich der Geheimtipp für alle, die sich vernetzen oder einfach nur den deutschen Kurzfilm feiern wollen.

Das Motto lautet also besser: Cannes – muss auch Kurzfilm! Denn wir bleiben dran und lassen uns – entspannt und selbstbewusst – vom roten Teppichgewitter nicht ablenken. Auch hier haben wir unsere Nische gefunden und mit unseren Aktivitäten werfen wir ein Licht auf den deutschen Kurzfilm. Und das ist gut so.