Ann Arbor Film Festival 2018
Das 56. Ann Arbor Film Festival 2018 gilt als ältestes Filmfestival der Welt mit Schwerpunkt im künstlerischen und experimentellen Film und findet Ende März jeden Jahres statt. Mehr als 200 Filme wurden gezeigt: neben den internationalen Wettbewerben gab es Retrospektiven und Spezialprogramm (z.B. Black Radical Imagination), Workshops (z.B.Visual Effects in Blade Runner) sowie eine Ausstellung (mit VR Experience).
Ann Arbor selbst beherbergt eine der größten und wichtigsten amerikanischen Universitäten, die Michigan University. Das Stadtleben ist daher sehr von Universitätseinrichtungen und wohlsituierten studentischen Ausgeh-Orten geprägt. Ein „normales" amerikanisches Alltagsleben bekommt man dort nicht zu sehen. Das nahegelegene Detroit ist ein krasser Gegensatz zum behüteten Örtchen Ann Arbor. Sollte man jedenfalls einen Abstecher machen. Die Unterbringung erfolgt entweder über nette Gastfamilien oder durch ein selbstfinanziertes Hotel zum reduzierten Preis. Mich hat ein alter Bekannter untergebracht der zufällig an der Universität unterrichtet.
Beim Festival kann man gut andere Filmemacher kennenlernen, da es eigentlich nur einen Hauptveranstaltungsort (das Michigan Theater) gibt und die Veranstalter locker und gastfreundlich sind. Das Programm war vorwiegend herausfordernd bis exzellent. Der Fokus lag auf essayistischen, dokumentarischen oder experimentellen Formen. Abgesehen von ein paar nostalgisierenden Experimentalfilmen (Flicker, Korn), damit ist dieses Festival historisch verbunden, habe ich tiefgreifende bis teilweise sogar unterhaltsame Avantgardefilme gesehen. Herausragend waren die programmierten Animationsfilme. Die Wettbewerbsprogramme im großen Kinosaal (1700 Sitze) waren gut besucht.
Das Feedback auf meinen Film (Freitagabend, Kino voll) war sehr gut. Sehr charmant: Vor jeder Vorführung spielte ein Organist auf der historischen Barton-Orgel. Jeden Tag gab es auch einen Langfilm im Programm. Dieser wurden vom Festivalteam, dem Publikum und den anwesenden Filmemachern gleichwertig neben den Kurzfilmen behandelt. Angenehm und Bemerkenswert! In einem kleinen Hinterraum des eindrucksvollen Kinos gab es für die Filmemacher leckeres Frühstück und Lunch. Vor dem Kinosaal gab es stets gratis Tee durch einen lokalen Sponsor. Die ausgelegten Kataloge und Flyer der AG Kurzfilm waren bald vergriffen.
Eine interessante und irritierende Nebensächlichkeit: Die Preisverleihung war eine Antiklimax im Vergleich zu hiesigen Verleihungen. Ohne Tamtam wurden die ca. 15 Preise unaufgeregt vom Zettel abgelesen. Es war weniger Publikum als zu den normalen Vorführungen da und kein/e FilmemacherIn wurde trotz Anwesenheit auf die Bühne gebeten. In einer Welt wo Gewinner, Red Carpet und Preise oft überbewertet (jeder weiß dies!) sind, eine Katharsis.
Wenn sich die Möglichkeit in Zukunft ergibt, werde ich gerne wieder zum Festival nach Ann Arbor reisen.
http://aafilmfest.org