Ottawa International Animation Festival 2017
Ich war 2017 mit meinem Film „Sog“ in Ottawa im Wettbewerb eingeladen und konnte dank der AG Kurzfilm und German Films einen Reisekostenzuschuss sowie Unterstützung für die Erstellung von Werbematerial bekommen.
Untergebracht wurde ich vom Festival in einem riesigen Hotelzimmer. Es stellte sich heraus, dass meine Kreditkarte mir die Kaution, welche das Hotel von mir verlangte, nicht zur Verfügung stellen konnte, da ich mein Kartenlimit bereits vorher erreicht hatte. Daher musste ich „teuer“ Geld von meinem Girokonto abheben – es empfiehlt sich also definitiv, für eine flüssige Kreditkarte zu sorgen (in Kanada sowieso von Vorteil, weil alles sehr sehr teuer ist).
Alle Locations des Festivals sind im Zentrum der Stadt und gut zu Fuß zu erreichen, vom Hotel zum Festivalzentrum waren es z.B. etwa 15 Minuten. Im Festivalzentrum gab es einen großen Raum zum Sitzen und Quatschen, mit Snacks und Getränken, die man für wenig Geld bekommen konnte. Auch einen Festivalshop gab es dort, wo man zuvor angemeldete Fanartikel für den eigenen Film verkaufen konnte (Anteile gingen an den Shop), außerdem waren dort VR-Arbeiten ausgestellt, die man sich zwischendurch mal anschauen konnte. Die Atmosphäre hier war durchgängig sehr angenehm und kommunikativ, man kam leicht miteinander ins Gespräch, was wohl nicht zuletzt auch an der offenen Art der Nordamerikaner lag. Es war ein großartiges Gefühl, ein so aufmerksames und emotionales Publikum zu haben, es wurde bei den Screenings nicht nur viel gelacht, es war regelrecht zu spüren, wie gespannt die Zuschauer dabei waren, so dass es auch mal mucksmäuschenstill war, wenn ein Film entsprechend packend war. In Europa habe ich das bisher bei noch keinem Publikum so erlebt. Auch gab es viel Rückmeldung und Austausch, man wurde häufig auf den eigenen Film angesprochen.
Bei den Screenings selbst, deren Projektion stets ganz ausgezeichnet war, gab es keine Q&A's, dafür wurde jedoch jede*r anwesende Filmemacher*in im Saal angekündigt und kurz zum Winken ins Rampenlicht gebeten.
Für jeden Screeningblock gab es eine extra Veranstaltung, bei der die Filmemacher*innen vom Festivalleiter persönlich sowie dem Publikum zu ihren Filmen befragt wurden. Dabei wurde der Schwerpunkt ganz deutlich auf den Inhalt und Ansatz der Filme gelenkt, technische Fragen gab es kaum. Ich hatte das Glück (oder Pech?), dass mein Filmtalk direkt nach dem großartigen Picknick stattfand, so dass die meisten, inklusive mir und dem Festivalleiter noch mindestens leicht angetrunken waren.
Besagtes Picknick war für mich eines der Höhepunkte, ähnlich wie z.B. in Zagreb bot es allen Gästen des Festivals eine super Gelegenheit, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Bei großartigem Wetter wurden alle in Bussen in einen nahegelegenen Park verfrachtet, wo ein schattenspendender Pavillon aufgebaut war und alle zum Essen und Trinken eingeladen waren. Außerdem gab es einen kleinen Wettbewerb, bei dem es darum ging, wer den gelungensten ausgehöhlten Kürbis gestalten kann.
Die Programme waren extrem stark und nicht zuletzt dadurch sehr abwechslungsreich, dass die unterschiedlichen Kategorien (Professionals, studentisch, Werbe- und Musikvideo...) miteinander vermischt wurden. Nur die Kinderprogramme waren wie meistens viel zu früh am Morgen zu sehen, so dass die meisten sie nicht zu Gesicht bekamen, weil abends zu lang gefeiert wurde...
Es gab einige wenige Veranstaltungen, in die es schwer war hineinzukommen, ich konnte bei zwei Spezialscreenings nicht teilnehmen, weil der Saal bereits angeblich überfüllt war, was in dem Fall nur hieß, dass alle Plätze, nicht aber z.B. die Treppen besetzt waren. Ansonsten war es aber nie ein Problem, zum Beispiel in die Wettbewerbsscreenings hineinzukommen.
Es gab jeden Abend Partys, die jedoch immer schon gegen 2 Uhr endeten (Sperrstunde in Kanada), so dass teilweise noch in den Hotelzimmern weiter getrunken wurde.
Insgesamt ein recht großes Festival mit sehr vielen internationalen Gästen – man kommt mit Menschen ins Gespräch, deren Arbeiten man unter Umständen schon seit langer Zeit kennt, und man trifft Leute von vielen anderen Festivals wieder. Man spürt deutlich, dass man in einer der „Hochburgen“ der Animationsszene gelandet ist, jeder kennt jeden (vor allem Chris Robinson, der künstlerische Leiter des Festivals), und man fühlt sich schnell als Teil der großen „Animationsfamilie“. Wenn man einen Film dort laufen hat, sollte man in JEDEM Fall dort hinfliegen!
Besonders empfehlen würde ich, die An- und Abreise über den Flughafen Montréal zu buchen. Diese Stadt ist nicht weit von Ottawa entfernt und hat abgesehen vom Festival generell einfach mehr zu bieten. Außerdem findet dort anscheinend alljährlich direkt nach dem Festival ein Tag der offenen Tür des National Filmboard of Canada statt. Dessen Studios / Ateliers mal zu sehen war für mich auf jeden Fall auch sehr interessant, und zudem gab es dort in diesem Jahr ein sehr interessantes Gespräch mit der Leiterin des Glas-Festivals in den USA, bei welchem sie davon erzählt hat, wie das Festival nach schon einem einzigen Jahr so erfolgreich und international anerkannt wurde.
Auch bietet es sich natürlich an, noch ein bisschen in die Natur zu fahren (der Nationalpark Mont-Tremblant war sehr schön und es war dort fast nichts los, da außerhalb der Saison).
www.animationfestival.ca