Ottawa International Animation Festival 2013
Bericht von Robert Löbel (WIND)
Das OIAF hatte in diesem Jahr meinen Abschlussfilm "Wind" in die "graduation competition" aufgenommen. Also beschloss ich zusammen mit meinem Sound Designer David Kamp, dem renommierten nordamerikanischen Animationsfilmfestival einen Besuch abzustatten.
Wie man sich vorstellen kann, steckt nach solch einem langen Überseeflug und der 6h Zeitverschiebung, der Jetlag tief in den Knochen. Darum beschlossen wir uns 3 Tage vor Festivalbeginn noch in Ruhe Montréal, die Stadt des National Filmboards (NFB), anzuschauen.
Über soziale Netzwerke verabredeten wir uns vorher mit dem NFB Animationsregisseur Patrick Doyon, der unter anderem 2012 für einen Oscar nominiert war. Als Patrick alle Fragen zur Oscar-Veranstaltung beantwortet hatte, fuhren wir mit Fahrrädern durch die kanadische Metropole und konnten einen ganz guten Gesamtüberblick über die Stadt bekommen. Patrick zeigte uns unter anderem seinen Lieblingsbuch- & Comic-Laden die librairie port de tête (siehe Link: https://pbs.twimg.com/media/BSNuDYVCMAA56NR.jpg:large)
In dem Comic-Laden faszinierte mich vor allem die Ecke mit Comics aus Quebec, der frz. Provinz Kanadas.
Nach der ersten Zeitumstellungs-Eingewöhnungsphase, die mir ganz schön zu schaffen machte, ging es dann mit dem Bus auf nach Ottawa.
Das vom Festival organisierte Hotel war sehr festivalzentral gelegen, und beherbergte die meisten Filmemacher. Ein gemeinsames Hotel zu haben ist äußerst kommunikativ, da man nach den Partys in meist beschwipster Gesellschaft nach Hause laufen kann.
Am Abend war auch gleich das erste Shortfilm Screening. Das OIAF mischte alle Competitions (z.B. graduation, undergraduate, experimental oder narrative) zusammen und hatte insgesamt 5 Short Competitions. Diese Programmstruktur fand ich super und sollte meiner Meinung nach von anderen Festivals übernommen werden. Des öfteren sieht man sowieso überhaupt keinen Unterschied mehr zwischen narrative, graduation oder undergraduate. In Annecy bspw. wurden alle Wettbewerbe strikt getrennt, was darauf hinauslief, dass ein Wettbewerb z.B. komplett aus animierter Werbung bestand. Die ganze Werbung auf einmal anzuschauen war dementsprechend langweilig. Die Programmstruktur des OIAF war hingegen erfrischend und auflockernd, denn zwischen narrativen Filmen wurde abwechselnd eine animierte Werbung oder ein Studentenfilm eingeschoben.
Mein Film lief gleich am ersten Abend in der ersten Short Competition. Zum Glück gab es kein nervöses Interview vor den vielen Gästen, sondern nur eine kurze Ansage: please welcome, the director …!" um sich kurz ins Rampenlicht zu stellen und nach 5 Sekunden wieder zu verschwinden.
Gleich nach dem Screening gingen alle geschlossen zur Opening Party die etwa 10 min vom Kino entfernt war.
Mit einem Mann im Frauenköstum als Moderator, Karaoke, sowie Barfrauen in sehr knappen Röcken und High Heels, war das erstmal ein sehr schräger erster Eindruck. Nichtsdestotrotz hab ich viele Filmemacher kennengelernt und leider auch etwas tiefer ins Glas geschaut.
Umso schwieriger war es für mich am nächsten Morgen pünktlich um 9:30 beim Filmmakers Talk meiner Competition zu erscheinen. Dieser Talk findet immer am nächsten Tag des jeweiligen Screenings statt. Vor interessiertem Publikum und der Presse müssen alle anwesenden Filmemacher auf der Bühne eines kleinen Theaterraums Frage und Antwort stehen. Ich fand es enorm amüsant, alle Filmemacher - mich eingeschlossen - etwas nervös auf der Bühne über ihre Filme reden zu hören. Der derzeitige Artistic Direktor Chris Robinson ist dabei auf seine unkonventionelle, lustig launische Moderationsart auch immer wieder ein Lacher.
Jeden Abend fanden Meet & Greet Veranstaltungen statt, sowie das Animator's Picknick mit Freigetränken, Essen und dem traditionellen "Pumpkin Carvin Contest". Ich traf Filmemacher aus Japan, Norwegen, Schweiz, Lettland, Frankreich, Polen, UK, Kanada und viele amerikanische Kunststudenten, welche mir ein Loch in den Bauch fragten. Daraus folgten etwas träge Atmosphäre tagsüber und der Drang bei schlechten Kurzfilmen während eines Screenings einfach kurz einzunicken. Neben den Shortfilm Competitions gab es einige themenspezifische Special Screenings - von berühmten Animationskünstlern bis hin zu großen Filmstudios. Da ich mir allerdings alle fünf Shortfilm Competitions anschauen wollte, habe ich die parallel laufenden Special Screenings leider verpasst.
Nach mehreren Abenden zusammen mit Filmemachern, deren Filme allesamt grandios waren, hatte man das Ziel dieses Festivals eigentlich schon erreicht. Man kann sich über unterschiedliche Arbeitsweisen unterhalten, über neue Projekte diskutieren, sowie zukünftige Berufswege auskundschaften.
Die abschließende Preisverleihung in einer richtigen Kirche war nur noch ein Sahnehäubchen.
Die AfterShow Party ist dann eigentlich auch schon wieder viel zu schnell vorbei und es werden noch fleißig Kontaktdaten ausgetauscht und man hofft, dass man den ein oder anderen auf dem nächsten Festival trifft.
Mit einem japanischen Studentenfilm als Ohrwurm, siehe Link: https://vimeo.com/74627307 fliege ich meine 14 Stunden nach Hause und habe das Gefühl, jetzt unbedingt ganz schnell einen neuen Film machen zu müssen.