Ottawa International Animation Festival 2014
17.-21.09.2014
Bericht von Kariem Saleh
Ottawa war das erste internationale Festival, das ich besuchen konnte. Dank der Reisekostenunterstützung konnte ich mir den Trip sogar als Student erlauben. Andernfalls wäre das nicht gegangen. Auch hatte ich Glück, dass mein Antrag bewilligt wurde obwohl mein Film 'A Hedgehog's Visit' nicht im Wettbewerb, sondern im 'International Student Showcase' lief.
Ich war also glücklich nach einer langen und arbeitsreichen Zeit, mal wieder eine kleine Reise machen zu können. Der Flug ging direkt von Frankfurt nach Ottawa und war von daher sehr angenehm und schnell geschafft. Der Jetlag allerdings hat mich fast über die gesamte Festivalzeit verfolgt. Hier ist also Vorsicht geboten. Wenn man die Möglichkeit hat, ein paar Tage vorher rüber zu fliegen, dann sollte man das vielleicht tun und sich erst mal in Ruhe an die Zeitumstellung gewöhnen.
Die Ankunft am Flughafen war sehr nett. Wir wurden von Festivalmitarbeitern mit Gebäck und einem Shuttle empfangen. Das brachte dann jeden direkt zu den Unterkünften. Ich habe mit vielen anderen studentischen Festivalteilnehmern im Ottawa Jail Hostel übernachtet. Es war sehr günstig und das Personal war wirklich nett. Das verhältnismäßig reichhaltige Hostel-Frühstück ist zu empfehlen. Einzig die Tatsache, dass es keine Spinte oder Schließfächer auf meiner Etage gab, war etwas problematisch.
Auf dem Festival selbst habe ich eine ganze Menge Programme angesehen. Neben den Wettbewerben waren auch Sonderprogramme wie zum Beispiel 'The dark side of Russian Animation' sehr lohnend. Die Kinos sind über die überschaubare Innenstadt von Ottawa verteilt, was oft Gelegenheit bietet, den Weg zur nächsten Vorführung gemeinsam mit anderen Festivalteilnehmern zu beschreiten.
Die Stimmung im Kinosaal ist sehr lebhaft. Vor allem in den Momenten, wenn der Programmdirektor Chris Robinson mit seinem sehr lakonischen und trockenen Humor das Mikrofon in die Hand nimmt.
Am Morgen nach den Wettbewerbsfilmen, gibt es meist eine „Meet the Filmmakers“-Session. Ich bin sehr froh, einige davon angehört zu haben. Die anwesenden Filmemacher sitzen auf der Bühne und äußern sich in einer Art Interview und Dialogsituation zu ihrem jeweiligen Arbeitsprozess. Man bekommt ein breites Spektrum von unterschiedlichsten Typen mit. Ich fand es besonders interessant, ein bisschen mehr über die verschiedenen Lebens- und Finanzierungsmodelle zu erfahren. Denn gerade hier unterscheiden sich die Leute sehr.
Die Filmzusammenstellung selbst reicht von sehr experimentell bis narrativ. Es gibt wenig 3D-animierte Filme, was ich persönlich als sehr wohltuend empfand.
Eine Besonderheit auf dem Festival sind die „Animation Pimpcasts“. Chris Robinson führt hier ein cirka einstündiges retrospektiv orientiertes Interview mit ausgewählten Animationsfilmern. In diesem Jahr gehörten dazu beispielsweise Andreas Hykade oder David O'Reilley. Diese Interviews werden zwar später auch online veröffentlicht, aber es ist wirklich spannend direkt dabei zu sein.
Ich habe mich nach den ersten drei Tagen entschieden, mir noch einen Mietwagen zu nehmen und ein bisschen herumzufahren. Von der Natur um Ottawa hatte ich ehrlich gesagt etwas mehr erwartet. Es ist schon eine sehr urbane Umgebung dort und der Gatineau Park fühlt sich ein bisschen hergerichtet und touristisch an.
Über den Mietwagen hat sich dann allerdings spontan ergeben, dass ich einem Regisseur mit seiner Frau noch eine Mitfahrgelegenheit nach Montreal anbieten konnte. So konnte ich am Montagmorgen sogar noch die Stadt anschauen und anschließend im National Film Board an der Führung teilnehmen. Das war wirklich interessant. Auch wenn diese staatlich finanzierte Anstalt früher sehr viel mehr Mittel gehabt zu haben scheint und sogar viele Animatoren und Regisseure dort auf Lebenszeit fest angestellt waren, gibt es dort heute eine große Anzahl von Büros und Studios, in denen Filmemacher ihre Projekte realisieren. Oft sind es auch internationale Künstler und Regisseure, die ans National Filmboard kommen und eine Koproduktion mit ihrem eigenen Land realisieren.
Alles in allem war das ein spannender Trip und ich konnte mit vielen interessanten und inspirierenden Leuten sprechen.
Zu guter Letzt kann ich noch eine Empfehlung für die National Gallery in Ottawa aussprechen. Ebenfalls gut zu Fuß zu erreichen und sehr breit gefächert. Neben klassischer europäischer Malerei konnte man auch Arbeiten von kanadischen Künstlern wie Tom Thomson sehen, von denen mir bisher alle völlig unbekannt waren. Neben der Malerei gab es eine Sonderausstellung zur Kriegsfotografie kanadischer Bildberichterstatter aus dem Ersten Weltkrieg. Sehr spannend.
Vielen Dank an die AG Kurzfilm und German Films für die Unterstützung. Ohne die Hilfe wäre meine Reise nicht möglich gewesen.