Arquiteturas Film Festival 2019
Gequetscht wie in einer Sardinenbüchse sitze ich im Flieger nach Lissabon. Mein Film REKO CITY (Reconstructed City) läuft dort im Programm des 7. Arquiteturas Film Festivals. Vor 35 Jahren war ich zuletzt in Lissabon und damals gehörte Portugal augenscheinlich nicht zur EU. Jetzt ist der Eindruck von europäischer Angleichung und den Touristenmassen geprägt und dennoch hat sich die Stadt ihren eigentümlichen Charakter bewahrt.
Als ich von der U-Bahnstation (Intendente) kommend zu Fuß zum Festivalort, dem legendären Cinema Sao Jorge, aufmache, sehe ich ein Stadtbild im Umbruch. Überall gibt es Baustellen, verfallende Gebäude und frisch Renoviertes. Von einer Anhöhe aus kann ich im Häusermeer weit hinten den Tejo erblicken. Als ich dann hinunter zum Kino laufe, bin ich schon gespannt auf das Programm. Im Cinema Jorge werde ich freundlich von Veronica Baraldi am Festivalcounter begrüßt und mit allen wichtigen Informationen versorgt. Neben den Programmen mit internationalen und portugiesischen Kurz- und Langfilmen gibt es auch noch Nebenprogramme wie Archivfilme zum Thema Stadt, einen filmischen Workshop über einen Platz in Lissabon, eine Bauhaus-Perfomance etc. Das Gastland des diesjährigen Festivals ist Holland, aus dem auch sehr sehenswerte Filme dabei sind. Vor meiner eigenen Vorführung wechsele ich noch mal in den benachbarten Saal, um den neuen Film meines portugiesischen Kollegen Eduardo Brito zu sehen. Nach meiner eigenen Vorführung, die technisch perfekt lief, gibt es dann interessierte Nachfragen vom Publikum zu dem Thema Rekonstruktion in Bezug auf die gesellschaftliche, historische und politische Situation in Deutschland. Auch meine eigene Haltung dazu wird intensiv hinterfragt. Leider wurde das Q und A der portugiesischen Filmemacher nicht ins Englische übersetzt.
Am nächsten Tag lädt die Festivalleiterin Sofia Morato alle anwesenden Filmemacher und Jurymitglieder zu einem Essen ein. Ich komme mit dem Architekturprofessor Tiago Oliveira ins Gespräch, der mir von der Stadtentwicklung in Lissabon berichtet und mich auch über den architektonischen Stilmix (Albert Speer und Art Deco) des Cinema Sao Jorge aufklärt. Auch in Lissabon ist die rekonstruierte Architektur ein aktuelles Thema, allerdings anders als in Deutschland. In Folge von internationalen Immobilieninvestitionen werden alte Gebäude abgerissen und dann aufwendig und edel nachgebaut. Für die Bauphase bleiben dann abgestützte Fassadenreste stehen. Im Gefolge dieser städtebaulichen Prozesse steht die Gentrifizierung der ärmeren Bevölkerung in die von Plattenbauten geprägten Außenbezirke.
Von den Filmen haben mich neben der deutschen Doku BAUHAUS SPIRIT von Thomas Tielsch und Nils Bolbrinker der amerikanische Beitrag LIFE ON THE MISSISSIPPI von Bill Brown begeistert. In diesem poetischen Dokumentarfilm werden die durch Überschwemmungen verursachten städtebaulichen Folgen der am Mississippi beheimateten Großstädte thematisiert.
Der für mich schönste und anregendste Film A BOY´S DREAM von Walther Grotenhuis und Cinta Forger kommt aus dem Festivalgastland Holland. Passend zum Motto Human Nature zeigt dieser auf wunderbar vielschichtige Weise wie der Künstler Theo Jansen seinen Traum vom Erschaffen lebt.
Den Besuch des Festivals kann ich denen, die sich für den wichtigen Gegenstand Architektur und Film interessieren, sehr empfehlen. Zum einen bietet das Festival neben einem anspruchsvollen Programm auch eine gute Atmosphäre mit einer anregenden und zum Thema absolut passenden Umgebung. Zudem gibt es ja in Deutschland kein eigenständiges Architektur-Film-Festival, höchstens kuratierte Filmreihen oder Nebensektionen. Für ein richtiges Architekturfilmfestival muss man sich also ins Ausland aufmachen und das Arquiteturas Film Festival in Lissabon ist da neben einigen anderen wie dem AFFR Rotterdam, dem Istanbul Int. Architecture und Urban Films Festival oder dem Festival Int. de Cine y Arquitectura Madrid usw. eine gute Adresse.
http://arquiteturasfilmfestival.com