Bericht von Konstantinos-Antonios Goutos the[video]Flâneu®
(AFTER CASPAR DAVID FRIEDRICH)
"These are people who are uncomfortable in their own land, and set out to dream elsewhere. They don`t really see Lisbon, which is more varied than their decorative vision. They only speak about Pessoa, who has become a multinational, and who only affects fifty years of Lisbon`s history. The city is more dynamic, more desperate, richer in hypotheses than the ones these filmmakers present.”
Der Filmemacher Paulo Rocha beschreibt hier die romantisierende Perspektive seiner deutschsprachigen Kollegen, wie Wim Wenders oder Alain Tanner, die Lissabon von einer traumhaften und dekorativen Seite darstellen.
Da ich bei meinem kurzen Besuch in Lissabon auch viel Anderes gesehen, getroffen, gefunden und erlebt habe als diese romantisierende Perspektive (nämlich eher den Charakter einer lebendigen, pulsierenden, vollkapitalistischen, schnellen, aber doch extrem angenehmen und ruhigen Metropole, und weniger eine arme Stadt, versteckt in der Vergangenheit und melancholischen Saudade, habe ich mich entschieden, an dieser Stelle nicht von den portugiesischen „drei f’s“ (fado, fatima, futebola) und auch nicht von dem genialen Fernando Pessoa (oder von dem neueren José Saramago) oder von Amália Rodrigues zu sprechen, nicht einmal von der 30er-Jahre-Straßenbahnenattraktion, dem wunderbaren Essen und Wein, den „billigen“ Preisen und den „netten“ Menschen der Stadt, also nicht die Stereotypen der Reiseführer zu erweitern und verbreiten, sondern direkt und präzise über das dortige Festival, das mich eingeladen hat, zu erzählen…
(Auf jeden Fall, für die Interpretation meiner Zeit in Lissabon, für die Erinnerungen, Erlebnisse, Menschentreffen, Zufälle, Farben, Gerüche, Töne und Geschmäcker, die dort entstanden sind, sollte man auf die Veröffentlichung meiner dort gedrehten Videoarbeiten zu einem späteren Zeitpunkt warten...:)
Temps d' Images ist ein von arte und La Ferme du Buisson initiiertes, interdisziplinäres Festival mit Veranstaltungen in Frankreich, Belgien, Italien, Deutschland, Ungarn, Polen, Estland, Rumänien, Portugal sowie in der Türkei und Kanada.
EU-gefördert im Programm Cultura 2000, ist es ein Festival an der Schnittstelle zwischen Ausstellung und Bühne.
Seit 2003 wird das portugiesische Festival produziert von DUPLACENA mit diversen Ko-Produzenten wie das Centro Cultural de Belém. Innerhalb der Kulturszene Portugals ist das Festival prominent platziert, zu den Partnern des Festivals Temps d’ Images zählen: CAM, Cinemateca Portuguesa, Culturgest, EIRA 33, Espaço Alkantara, Maria Matos Teatro Municipal, MNAC – Museu do Chiado, Museu Colecção Berardo, Negócio e São Luiz Teatro Municipal – im Grunde also viele der wichtigen Kultureinrichtungen Lissabons.
In dem breiten Programm werden Performances, Ausstellungen und Video-Installationen sowohl von sehr bekannten als auch von neueren, portugiesischen und internationalen Künstlern gezeigt und/ oder produziert.
Das Festival, zu dem ich eingeladen war (Film Award for Films on Art), ist ein sehr bedeutendes Projekt innerhalb des Festivals Temps d' Images, welches vor drei Jahren gegründet wurde und von der portugiesischen Filmförderung unterstützt wird.
In den ersten zwei Jahren fand das Festival in einem großen Museum für moderne Kunst im Museo Coleccao BERARDO statt, diesmal jedoch war Festivalort für den Wettbewerb ein historisches, wunderbares Kino, Cinema Nimas, in der Innenstadt.
Das Ziel des Festivals ist es, Filme und Videos zu und über Kunst und Künstler in der Bandbreite vom Dokumentarischen zum Essayistischen bis hin zum Experimentellen zu präsentieren.
Filmen und Videos, die mit der Kunst, mit bestimmten Kunstwerken oder Architekturen, mit bestimmten Künstlern, oder Filmen und Videos, die auch metaphorisch, poetisch oder interpretierend mit der Kunst umgehen (wie es der Fall bei meinen Arbeiten ist), wird eine Plattform geboten.
Oder wie es in dem englischen Ausschreibungstext auf der Festivalwebsite beschrieben ist: “from hommage films to film essays to long term observations to historical research up to experimental films who themselves become an art work through their way of filming or editing - TEMPS D' IMAGES will give a chance to all different forms. There can be portraits of a famous artist in which the film maker had to approach his protagonist by finding ways between high respect and his own idea to the film, there can be films on the sociological/political context in which a specific art or artist arise, or films with the focus on the process of creation, films which reflect the formal problems in showing 3-dimensional art works in film, films about art or art history itself, films on art of other than the film maker's culture...” Allerdings: “Pure documentations and recordings of art events and pure film art films (experimental films, video art) are not eligible.”
Das diesjährige Festival fand zwischen dem 11. und 14. November 2010 statt.
Über vier Tage lief das Wettbewerbsprogramm – von drei Uhr nachmittags bis ca. Mitternacht - ein sehr anstrengendes, aber wunderschönes, beeindruckendes Programm voller Überraschungen…
Alle Filme wurden nur einmal präsentiert und in zwei Stunden-Blöcken zusammengesetzt. Insgesamt waren diesmal 34 Filme zu sehen (7 aus Portugal, 4 aus UK, 4 aus Kanada, 3 aus Spanien, 2 aus den USA, 1 aus Frankreich, 1 aus Polen, 1 aus Südkorea, 1 aus Iran, 1 aus Japan, 1 aus Finnland, 1 aus Schweden, 1 aus Venezuela, 1 aus Israel, 1 Koproduktion zwischen UK, Poland und Frankreich und 4 aus Deutschland, darunter auch meine Videoarbeit after caspar david friedrich, die eine griechische Koproduktion ist). Etwa die Hälfte davon waren Kurzfilme, die in der Regel vor den längeren Filmen gezeigt wurden. Im Wettbewerb - alle gezeigten Filme nahmen daran teil - wurden jedoch Kurz- und Langfilme gleich gewertet. Es wurden drei Geld-Preise und zwei Special Mentions vergeben, wobei ein Preis portugiesischen Filmen vorbehalten war.
“LIVING WITH UNCERTAINTIES” war das Hauptthema des diesjährigen Festivals (wie es im folgenden Auszug aus dem Text der Festivaldirektorin zu lesen ist):
„The this year's film selection - as a whole meant as an artistic statement by itself - will lead you from various, most contradictionary directions into this uncertain and exciting construction area, lets you take place and invites you to meet unusual world views, unexpected behaviours, forgotten ideas, risky experiments, inspiring ideas, strange thoughts, by discovering new and parallel worlds. By experiencing those loose, non-fixed, ever changing grounds on which artists are based, and seeing how one can live and create within this, might then help to produce more strength for living with those uncertainties of daily and professional life which one has learned to rather commit them to insurance companies, experts or leaders...”
Mein In-der-letzten-Minute-Ankommen in der Stadt (am Abend des ersten Tages – exakt ein paar Minuten vor der Vorstellung meiner Videoarbeit), das anstrengende Programm in Kombination mit meiner großen Lust zum Videoflanieren in der Stadt, hatten zum Resultat, ein paar Filme zu verpassen (darunter manche der später preisgekrönten). Allerdings gab es noch Zeit für viele Entdeckungen (z. B. Pretend Not To See Me von Katherine Knight, Pelas sombras von Catarina Mourão, Ein Weites Feld von Gerburg Rohde-Dahl u.a.)… Auf jeden Fall, die spielerisch-erfolgreiche Programmkonstruktion war mir klar sofort geworden: Möglicherweise, geht um das wichtigste Filmfestival seiner Art…
Unter den Festivalteilnehmern gab es spontane Zusammenkünfte zu Abendessen, Exkursionen, Brunches und vom Organisationsteam eine sehr große und zuvorkommende Bereitschaft für alle kleinen und großen Sachen, die entstanden sind...
Wie es jedem anreisenden Filmemacher/ Künstler vorher ausdrücklich mitgeteilt worden war, gab keine Videothek oder Marktabteilung, aber es wurde ein sehr schöner Katalog (in 7500 Exemplare) gedruckt, der in allen Kulturinstitutionen, vielen Restaurants und Bars der Stadt zu finden war und kostenlos auslag...
Jeden Abend sowie zwischen den Filmblöcken fand sich die Zeit für intensive Dialogrunden mit Künstlern (Colette Urban, Kazike, Carlos Henrich, Wictoria Szymanska, Alain Bellaiche, Catarina Mourão, mit der Festivaldirektorin Rajele Jain, dem Direktor des Temps D’ Images Portugal António Câmara Manuel, der Direktorin des Temps D’ Images Italien, die als Jurymitglied dabei gewesen war, mit anderen Jurymitgliedern u.s.w. …
Von Festivalseite und vor allem von der Initiatorin und Direktorin des Festivals Rajele Jain wurde der Wunsch einer weiteren Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb des Festivals mit mir demonstriert und mir auch verraten, dass ich der einziger Künstler bin, der seit Beginn des Festivals vor drei Jahren, immer mit einem Videobeitrag eingeladen war, und dass diesmal, genau wie in den beiden Jahre zuvor, meine Arbeiten für Preise oder Erwähnungen bei den Jurysitzungen diskutiert wurden, allerdings bislang noch ohne Preiskrönung…
Ein Festival in Lissabon, in dessen Logo ein Mann mit schwarzem Hut zu sehen ist. Eine Gestalt, so ähnlich aussehend, wie ich selbst bei meinem [video]Flanerien! Zufall? Und dann filmt dieser Mann auch noch Dürers Hasen - genau wie ich sehr oft unterwegs beim Flanieren Motive (aus) der Kunstgeschichte oder Ikonologie filme! Ein solches Zeichen sagte mir, ich bewege mich auf mir vertrautem Gebiet. Und das Festival selbst, mit der liebevollen Gastfreundschaft und den wunderschönen Begegnungen, brachten unvergessliche Erlebnisse, die sich nun in meiner Erinnerung mit der Imagination des Flanierens vermischen: "...somewhere between absolute fiction and fictitious reality¹..."
Besonders bedanken möchte ich mich bei Jutta Wille und Luise Kern von der AG Kurzfilm und Martin Scheuring von German Films, für ihre Bearbeitung meines Antrags, der mir zu dieser aufregenden Reise verholfen hat.
Bei Eva Maria Gauß für die Gestaltung meines Werbematerials, sowie bei Petra Lum möchte ich mich ebenso herzlich für die Unterstützung bedanken, wie auch bei Rajele Jain für ihre großzügige Gastfreundschaft in Lissabon…
¹ Jose Saramago
www.tempsdimages-portugal.com