Palm Springs International ShortFest 2014
Bericht von Andreas Kessler & Stephan Kämpf (CAMOUFLAGE)
Nach mehreren Stunden Fahrt durch endlose, lebensfeindliche Wüste mit nichts außer ein paar vereinzelten Kakteen, Felsformationen aus rotem Sandstein und gigantischen Windparks und Solaranlagen, fahren wir in Palm Springs ein, das wie eine Oase wirkt mit seinen vielen Palmen, den perfekt getrimmten Gärten und Rasen (mit ihren rastlos sprühenden Bewässerungsanlagen), und einer endlosen Aneinanderreihung von Villen und Pools. Obama sei hier letzte Woche zum Golfspielen eingeflogen, erzählt uns der Taxifahrer. An jeder Kreuzung hängen Plakate, die das ShortFest ankündigen.
Am Eröffnungsabend lernen wir gleich durch Zufall die Festivalleiterin Kathleen McInnis kennen. Andreas holt drei Flaschen Stella Artois von der Bar, und will mit uns anstoßen, als der Partyfotograf uns entdeckt und uns bittet ihm zu folgen. Eigentlich wollten wir nur ein gutes belgisches Bier trinken und werden plötzlich in die VIP-Sektion geführt. Der Fotograf stellt uns der Festivalleiterin vor und bittet uns, dann alle zusammen für ein Foto zu posieren. Die Bierflaschen sollen wir dabei so in der Hand halten, dass man das Logo gut erkennt – Stella Artois ist nämlich Hauptsponsor des Festivals. Kathleen ist gleich interessiert, als wir ihr erzählen, dass wir für German Films hier sind.
Wir treffen an dem Abend noch Filmemacher aus der ganzen Welt (tatsächlich ist bei fast jedem der 330 Kurzfilmscreenings ein Filmemacher anwesend), trinken Cocktails aufs Haus und treffen auch die Programmer des Festivals. Einer von ihnen kommt gleich auf uns zu: "I loved your movie! Definetly a potential winner this year!" und zwinkert uns zu.
Für das Festival haben wir uns ein Zimmer im 4-Sterne Renaissance Hotel genommen – mit dem Festivalrabbat haben wir nur noch etwa 100 USD pro Nacht gezahlt. Und da man in den USA nur pro Zimmer und nicht pro Person zahlt, konnten wir für 33 USD pro Nacht super dekadent im 4-Sterne-Festival-Hotel wohnen (theoretisch könnte man sich den Preis sogar zu viert aufteilen!). Es war die beste Entscheidung im offiziellen Festival-Hotel zu bleiben – im Erdgeschoss hatte das Festival sämtliche Konferenzräume und Säle gemietet – hier fanden die Workshops statt, zur Mittagspause konnte man sich mit anderen Filmemachern in der Festival-Lobby treffen, an der Bar wurde man den ganzen Tag über mit Snacks und Getränken versorgt (der Kokosnuss-Saft war großartig!) und vor allem fand hier auch der Film Market statt.
Der Film Market ist ein großer Raum mit etwa dreißig bis vierzig Monitoren, hinter denen Festival-Programmer, Filmemacher und Produzenten Filme schauen können. Manchmal entdecken wir auch unseren eigenen Film auf einem der Bildschirme. An dem Tresen liegt ein riesiger Katalog mit über 3000 Filmen und Tische und Wände sind ein buntes Arrangement aus Flyern und Postern. Am besten man holt sich vorher ein paar Tipps, welche Filme interessant sein könnten.
Vom Festival-Hotel aus gab es auch einen Shuttle-Service zum Kino, dem Camelot-Theatre. Das Kino hat einen großen Saal mit etwa 500 Plätzen und zwei kleinere Säle. Unser Film lief glücklicherweise im großen Saal. Die Vorführungen waren eigentlich fast immer bis zum letzten Platz gefüllt, überwiegend mit Filmemachern, aber auch mit lokalem Publikum aus Palm Springs. Die Projektion war tatsächlich das einzige, was bei diesem fantastischen Festival hin und wieder enttäuscht hat. Immer wieder kam es zu technischen Mängeln, mal hat das Seitenverhältnis nicht gestimmt, mal hat der Ton übersteuert. Am schlimmsten jedoch traf es die Filmemacher, die eine HDCam als Vorführkopie eingereicht hatten: Diese Filme wurden das gesamte Festival über in einer verpixelten Qualität projiziert, die schlimmer aussah, als jede schlecht codierte DVD. Nachdem das Festival in jedem anderen Aspekt so überaus professionell war, blieb die unzuverlässige Projektion ein Rätsel. Hier können wir jedem Filmemacher nur raten, sich im Vorhinein zu vergewissern, ob die Vorführkopie einwandfrei abgespielt werden kann und im Zweifelsfall auf einer Testprojektion zu bestehen.
Das Niveau der Filme war unglaublich hoch – hier liefen Filme aus dem Cannes-Kurzfilmprogramm, der Studentenoscar-Gewinner, Filme von den großen Filmschulen der Welt und auch von etablierten Filmemachern, die teilweise schon mehrere Langfilme in ihrer Vita haben.
Und jetzt zu dem Besten an Palm Springs: die Partys! Von der “French Party” am fancy Ace Hotel mit französischem Buffet, der schillernden “Gay-La-Party” in der Tiki Lounge mit Strippern bis zu der “Closing Party” im Hard Rock Café gab es jeden Abend Gelegenheit, mit etablierten Filmemachern aus aller Welt, AFI-Studenten, Programmern und Oscar-Gewinnern in den Pool zu springen, Cocktails zu trinken oder zu tanzen. Man lernt sich unglaublich schnell kennen auf diesem Festival und die langen Nächte waren sogar der Beginn von so mancher Freundschaft. Palm Springs ist wirklich ein Festival für Filmemacher und fühlt sich manchmal sogar mehr wie eine Klassenfahrt an, als ein Filmfestival, wenn man nachts gemeinsam in den geschlossenen Hotelpool einsteigt oder auf der Couch von irgendeinem Filmemacher endet.
Die Begegnungen auf dem Festival waren sehr inspirierend – eine Filmemacherin erzählte uns, dass sie den Schauspieler zu ihrem neuen Film in einem Waisenheim castet und sie Filmemachen vor allem als soziale Verantwortung versteht; andere sprachen mit uns über den deutschen Film, der hier im Ausland (anders als man es aus dem eigenen Land kennt) bewundert wird, und andere Filmemacher berichteten uns von den Schwierigkeiten den ersten Langfilm in den USA zu finanzieren und wie sie ihre Filme über Stiftungen oder sogar mit Hilfe von reichen Anwälten und Zahnärzten finanzieren.
Auch die Workshops waren sehr bereichernd – es gab eine Paneldiskussion mit Programmern von allen großen Festivals (Sundance, Tribeca etc), die aus erster Hand von den Selektionsprozessen bei ihren Festivals erzählten, es gab eine Masterclass mit Ted Hope, dem Produzenten von 21 Gramm und Adventureland und viele Roundtables und Speed-Dating mit Produzenten, Casting-Agenten und anderen Filmemachern.
Mit einem Filmemacher aus Australien zusammen haben wir uns entschieden, weitere fünf Wochen in den USA zu bleiben. In LA hatten wir Gelegenheit, einige Filmemacher wieder zu treffen, die wir in Palm Springs kennen gelernt hatten. Und durch Zufall lernten wir sogar einen Produzenten kennen, der sich für nachhaltige und umweltschonende Produktionsbedingungen einsetzt und uns eine Privattour durch das Studiogelände von Chaplin und Jim Henson (dem Erfinder der Muppet Show) gab. Wir durften auch auf seinem Elektro-Scooter probefahren und schließlich organisierte er sogar ein privates Screening mit Freunden in Chaplins ehemaligen Vorführraum. Ein kleiner altmodischer Kinosaal mit 20 Plätzen. Hier zeigte Chaplin seine ersten Rohschnitte – der Saal wird heute eigentlich gar nicht mehr genutzt. Wir werden den Moment nie vergessen, als das erste Bild unseres Filmes auf dieser kleinen, aber historischen Leinwand erschien.
Mit einem LGBT-Film lohnt es sich übrigens auch, zu versuchen, zum Frameline Festival in San Francisco und zum Outfest in LA zu kommen, beides an der Westküste – die liegen nämlich zeitlich beide im Anschluss an Palm Springs und gelten als die wichtigsten LGBT-Festivals weltweit!
Palm Springs ist ein Festival, das sich wirklich um die Filmemacher kümmert und eine familiäre Atmosphäre kreiert, in der unglaublich viel Austausch entsteht, auch mit Professionals aus der Branche – vor allem für jeden, der vor hat, in den USA zu arbeiten, ist dieses Festival eine einmalige Chance den ersten Anker zu werfen! Und wenn man dort ist, sollte man unbedingt auch einige Wochen an der Westküste dranhängen – wir hatten die verrücktesten Begegnungen und Erlebnisse und definitiv eine Menge Stoff für die nächsten Filme!