Molodist - Kyiv International Film Festival 2012
Bericht von Florian Dietrich (GhettoLoveGrief)
Das internationale Filmfestival "MOLODIST" in Kiew ist eines der traditionsreichsten Festivals in Osteuropa. Was einst 1970 als ein zweitägiges Screening von Studentenfilmen begann, ist heute, nach 42 Jahren, ein international anerkanntes Festival mit dem Fokus auf junge, aufstrebende Filmemacher aus aller Welt. Drei internationale sowie ein ukranischer Wettbewerb bilden den Schwerpunkt des Programms. Eine fünfköpfige Jury (dieses Jahr: Zoltán Kamondi, Ungarn; Theodore Ushev, Bulgarien; Boris Khlebnikow, Russland; Harutyun Khachatryan, Georgien; Natalia Sumska, Ukraine) vergibt die Preise in den drei Kategorien "Student Films", "Short Films" und "Full-lenghts Films". Die Wettbewerbe sind eingebettet in ein fast 300 Filme schweres Programm aus mehr als 1500 Einreichungen. Neben den Wettbewerben gibt es also diverse Nebenreihen, die ein breites Spektrum von narrativen bis experimentellen Filmen aus aller Herren Länder abdecken. So gab es dieses Jahr unter anderem verschiedene Länderschwerpunkte (German Wave, Scandinavian Panorama, French Connection, Week of Russian Cinema), Kurzfilmnächte (Deutschland, Frankreich, Schweiz), Retrospektiven von Milos Forman, Arthur Lipsett und Bohdan Stupka, das Schwulen- und Lesbenprogramm "Sunny Bunny" und diverse andere "Special Events".
Ich hatte das Glück, dass mein dffb-Zweitjahresfilm "GHETTOLOVEGRIEF" in den internationalen Wettbewerb für Studentenfilme eingeladen war. Recht kurzfristig hatte ich mich entschieden, die Reise nach Kiew anzutreten und bin sehr glücklich darüber.
Das Festival selbst übernimmt die Kosten für 4 Tage Unterkunft in Kiew, der üppige Zuschuss zu den Reisekosten von German Films und der AG Kurzfilm ermöglichte mir die Finanzierung des Fluges (tausend Dank an Martin Scheuring von German Films und Jutta Wille von der AG Kurzfilm!). Die Screenings der Studentenfilme fanden am 2. und 3. Tag des Festivals statt, weshalb ich am bereits Abend vor der Eröffnung meine Reise antrat. Am Flughafen erwartete mich ein Gästebetreuer, der mit einem ziemlich fließenden Deutsch glänzen konnte und mich mit einem Fahrer in das Festival Hotel Bakkara brachte. Überhaupt war das Guest-Department extrem freundlich und in allen Belangen sehr hilfsbereit. Das Hotel ist eine schwimmende Plattform in der Form eines kleinen Kreuzfahrtschiffes, das am Fluß "Dnipro" an einer größeren Insel vor Anker liegt. Der Standard des Hotels ist gut, alles recht modern, Wireless ist vorhanden, im Erdgeschoss gibt es ein Restaurant mit einer Pianobar. Das Frühstücksbüffet ist üppig und gut, ansonsten sind die Preise für Abendessen/Getränke recht gesalzen. Die Zimmer sind in der Regel Doppelzimmer, d.h. man ist dort gemeinsam untergebracht mit einem anderen Teilnehmer der Kurz- und Studentenfilme.
Jeden Morgen fährt ein Shuttlebus vom Hotel zum Festival-Zentrum (dem Kyjw-Cinema), jeden Abend nach der letzten Vorstellung startet ein Bus vom Kino zurück zum Hotel. Wer sich von diesen Zeiten unabhängig machen möchte, hat zwei Möglichkeiten: Taxi (das sollte er sich allerdings von einem Einheimischen telefonisch bestellen lassen, dann wirds deutlich günstiger), oder Bahn. Wenn man gewillt ist, sich unter Umständen auch mal ein wenig zu verlieren, ist die U-Bahn ein sehr zuverlässiges Verkehrsmittel, das unschlagbar günstig ist. Eine Fahrt kostet umgerechnet 20 Cent, die Tickets kauft man direkt an der Station. Der nächste U-Bahnhof ist etwa fünf Minuten vom Hotel "Bakkara" entfernt; zum Stadtzentrum sind es dann drei Stationen. Will man zum Festival-Zentrum gelangen, steigt man noch einmal um. Allerdings fahren die Bahnen nachts nur bis 12.00 Uhr...
Zum Eigentlichen: Die Eröffnungszeremonie fand dieses Jahr samstags in der Alten Oper von Kiew statt. Kamerateams sprangen herum, Figuren aus Kultur und Politik tummelten sich in festlicher Abendgarderobe in den Räumen der Oper. Die Begrüßungsreden wurden auf Ukrainisch und Russisch gehalten, eine Simultanübersetzung gab es leider nicht. Danach wurde der Eröffnungsfilm gezeigt, in diesem Jahr eine restaurierte Fassung einer ukrainischen Satire von 1929, die live von der Musik des Klassischen Orchesters Kiew begleitet wurde. Nach der Eröffnung gab es einen Empfang im Regierungsviertel der Stadt, recht formell mit Häppchen und Wein. Und dann folgte die Party, auf der man sich in entspannterer Atmosphäre mit den eigentlichen Teilnehmern des Festivals, mit den Leitern der Gästebetreuung und den Jury-Mitgliedern unterhalten konnte.
Am nächsten Morgen, am Sonntag, begannen dann bereits die Screenings für die Studenten- und die Kurzfilmprogramme. Die zwei Kinos des Festival-Zentrums sind wunderschöne alte Säle mit großer Leinwand und moderner Technik. Die Projektionen waren in der Regel gut, trotzdem lohnt es sich, vor der Vorstellungen einen kurzen Bild- und Tontest zu machen. Die anwesenden Filmemacher wurden jeweils vor Beginn des Programms vorgestellt. Ein Q&A im Anschluss gab es nicht, dafür zu einem späteren Zeitpunkt ein öffentliches Gespräch mit allen Regisseuren der Kurz- und Studentenfilme im Foyer des Kinos.
Die Vorstellungen waren unterschiedlich besucht; während das erste Screening meines Filmblocks gut gefüllt war, fanden sich zum zweiten nur einige wenige ein. Vor ein paar Jahren, so sagten mir Bekannte aus Kiew, die das Festival schon länger kennen, seien fast alle Vorstellungen ausverkauft gewesen. Ob dem wirklich so ist und woher es rührt, vermag ich nicht zu sagen, aber ein paar mehr Zuschauer hätten nicht unbedingt geschadet. Die Atmosphäre unter den Teilnehmern und Besuchern war im Allgemeinen sehr herzlich; man kam schnell ins Gespräch über die Filme der anderen, verabredete sich zum Filmegucken oder Essengehen (ukrainische Küche natürlich) und traf sich auf den Partys, die vom Festival organisiert wurden. Leider musste ich bereits nach zweieinhalb Tagen Festival wieder abreisen. Das Festival übernimmt die Kosten für die Unterbringung nur für vier Nächte. Einige der Teilnehmer blieben die ganze Woche auf dem Festival und organisierten sich selbst eine Unterkunft für die restlichen Tage, auf mich warteten allerdings andere Termine in der Heimat.
Insgesamt waren es für mich drei vollgepackte Tage zwischen einer dynamischen Stadt, netten Kollegen, einer sehr interessanten und unabhängigen Filmauswahl und ehrlichen Gesprächen mit den anderen. Ich würde es in jedem Falle wiederholen und kann das jedem ans Herz legen.